80. An das Großherzogliche Staatsministerium zu Weimar, Jena, 26. Februar 1871
Abschrift.
Hohes Großherzoglichen Staats-Ministerium!
Jahresbericht über das | Zoologische Institut zu | Jena für 1870.
Das zoologische Institut hat im Jahre 1870 sich in erfreulicher Weise den zoologischen Arbeiten der Studirenden nutzbar erwiesen, trotzdem die durch den deutsch-französischen Krieg bedingte Störung aller friedlichen Verhältnisse und die active Theilnahme der studirenden Jugend an demselben natürlich auch unseren speciellen wissenschaftlichen Wirkungskreis berührte.
Der regelmäßige praktische zoologische Unterrichts-Cursus im Institute ist im Sommer 1870 von 12, im Winter 1870/71 von 8 Studirenden frequentirt worden. Außerdem haben zwei meiner Schüler, welche sich speciell dem Studium der Zoologie widmen wollen, die beiden Brü-||der Hertwig aus Mühlhausen, im Institute eine größere Arbeit selbstständig ausgeführt, deren Resultate im nächsten Jahre veröffentlicht werden sollen. Endlich hat im Winter-Semester ein italiänischer Naturforscher, Dr. Quadri aus Bologna, das Institut für seine speciellen zoologischen Untersuchungen täglich benutzt.
Meine eigenen Arbeiten im Institute haben sich, abgesehen von der in unserer Jenaer Zeitschrift veröffentlichten Untersuchung über das Leben in den größten Meerestiefen, und speciell der mikroskopischen Untersuchung des Bathybius (in den Beiträgen zur Plastitiden-Theorie) fast ausschließlich auf die Fortsetzung meiner, vor drei Jahren begonnenen Erforschung der Kalkschwämme beschränkt, deren Monographie ich in diesem Jahre zu beendigen hoffe.
Wie sehr ich aber durch diese Einrichtung durch die übrigen Vorzüge meiner hiesigen Stellung an Jena gefesselt bin, habe ich erst voll empfunden, als durch meine, || vor zwei Monaten unter den glänzendsten Bedingungen erfolgte Berufung an die Universität Wien die gefährliche Versuchung an mich herantrat, meinen hiesigen Wirkungskreis nach gerade zehnjähriger Thätigkeit zu verlassen. Wenn ich trotzdem dem letzteren treu blieb und ihm vor der glänzenderen Wiener Stellung den Vorzug gab, so möge das Hohe Staats-Ministerium hierin nicht allein einen Beweis für die tiefliegenden Vorzüge der Universität Jena, sondern auch speciell für den eigenthümlichen Werth meiner hiesigen Stellung und der damit verknüpften Institute erblicken, für deren liberale Unterstützung und meinen Wünschen entsprechende Ausstattung ich dem Hohen Staats-Ministerium stets zum lebhaftesten Danke verpflichtet bleibe.
In vorzüglicher Verehrung
des Hohen Staats-Ministeriums
Jena den 26. Februar | 1871.
ergebenster
Ernst Haeckel.