Gompertz, Julius

Julius Gompertz an Ernst Haeckel, Crefeld, 11. Februar 1909

Crefeld. 11. Februar 1909.

Goethestrasse 52.

Sehr verehrter Herr Professor!

Im Weltspiegel des „Berliner Tageblattes“ sehe ich soeben Ihr ehrwürdiges Bildnis mit dem Hinweis auf Ihren 75jährigen Geburtstag. Ich sende Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche, ich sende sie einem Manne, welcher auf meinen inneren Werdegang einen so nachhaltigen Einfluß ausgeübt hata!

Ich krame unter den Gedichten meiner Jugendzeit – heute bin ich ein ehrsamer, 33jähriger Kaufmann – || und wähle ein Gedicht für Sie, geehrter Herr Professor, aus, betitelt: „An der Wende“, welches Sie beigeschlossen finden und welches Sie hoffentlich ebenso erfreuen wird, wie einst mein Gedicht „Einheit der Natur.“ – – –

Gestatten Sie nun noch, daß ich die herzlichsten Glückwünsche meiner Frau beifüge, welcher ich so viel von Ihrem Werke, von Ihren begeisternden Ideen gesprochen habe.

Herr Professor Häckel, Verleben Sie einen glücklichen heiteren Lebensabend, achten || Sie nicht auf die häßlichen Angriffe der Männer der Dunkelheit!

Tausende Männer, Tausende Frauen blicken zu Ihnen auf voll heißglühender Bewunderung! In alle Zeiten wird die Frucht Ihrer Arbeit fortwirken!

Ihr ergebener Julius Gompertz. ||

[Beilage: Gedicht]

An der Wende!

Ein Jahr ist vorüber! Es sank in die Fluten. –

Sank in das Chaos der Ewigkeit,

Und ein neues steigt aus den Gluten –

In der Hoffnung schimmerndem Kleid!

Und die Menschen kommen geschritten

Wünschen Dir Tage voll Glück und voll Lust. –

Glück aber kann man nicht wünschen, noch geben

Schlummert allein in der eigenen Brust!

Aus der ewig sich formenden Masse,

durch der Sinneslust dunkles Thor,

Steigt der Mensch zum Lichte empor! ||

Von den Eltern sorglich behütet,

Lacht ihm der Kindheit fröhliche Zeit,

Blühet heran zu sprudelnder Jugend

Immer zum Lachen undb Scherzen bereit

Und dann erwacht die Liebe im Menschen; –

Füllt ihn den Busen mit Feuer und Glut

Hat jetzt den Gipfel des Lebens erstiegen,

Langsam entschwindet der schäumende Mut!

Alt wird der Mensch,

Seine Schritte, sie wanken,

Sinkt in den wirbelnden Strudel hinab. –

In das schwarze, finstere Grab! ||

So ist ein Kind er der vorstehenden Zeiten,

Werden, Vergehen: ein ewiger Ring –

Ehernes Gesetz und formet den Menschen!

Er ist ein Sklave, ein machtloses Ding!

Der nur ist glücklich, dem tief in der Seelec

Samen des Guten und Schönen wohnt;

Er erklimmt die leuchtenden Höhen,

Dort wo die edelste Freude thront,

Suchet das Glück nur im eigenen Busen:
Und so taucht er mit heiterem Blick

Einst in die dunklen Fluten Zurück.

a korr. aus: hatte; b korr. aus: zum; c korr. aus.: Selle

H: EHA Jena, Sign.: A 42379.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.02.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 42379
ID
42379