Engelmann, Theodor Wilhelm

Theodor Wilhelm Engelmann an Ernst Haeckel, Berlin, 26. Januar 1907

Berlin 26/1.07

Verehrter und lieber Freund!

Dank, herzlich Dank, auch aus den Namen meiner Frau und Schwester, für Deine lieben Worte beim Tode meiner guten Mutter. Du hast ja auch das Glück gehabt, eine vortreffliche Mutter bis ins hohe Alter zu besitzen und wirst Alles gefühlt haben, was solcher Verlust bedeutet. Er kam uns, wie spät auch, doch zu früh, denn noch bis wenige Tage vor ihrem Ende hatte sie Freude am Leben und war || glücklich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, ihrer Sinne, und teilnehmend an Allem, was ihre kleine und was die grosse Welt bewegte! Den Ausfall der jüngsten Reichstagswahlen hätte ich ihr zu erleben gewünscht! In den letzten Tagen wurde sie müder und müder, schlief mehr und mehr und entschlief, ohne eigentlich krank zu sein und ohne Spur eines Kampfes. Ich entsinne mich nicht, sie jemals krank oder ernstlich leidend gesehen zu haben. Wie wenigen wird es so gut! Bisher dachte ich, wenn ich nach einem idealen Typus von Gesundheit suchte, immer an meine Mutter und an Dich! || Es kommt mir – und so wird es Tausenden gehen – kaum glaublich vor, dass Du, kaum über die Schwelle des salomonischen Alters, schon Grund haben solltest uns zu enttäuschen. Ich hoffe von Herzen, dass dieser Grund mehr in der Lebhaftigkeit Deines subjectiven Empfindens als in sicheren Ergebnissen objectiver Beobachtung und Untersuchung wurzeln möge. Jedenfalls wünsche ich herzlichst, dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung hier sich bewähren möge, die Deiner Organisation die denkbar grösste Dauerhaftigkeit prognosticirt!

In alter Treue und Ergebenheit Dein

Th. W. Engelmann

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
26.01.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4217
ID
4217