Engelmann, Emma

Emma Engelmann an Ernst Haeckel, Berlin, 22. Dezember 1897

BERLIN N. W. xxx

NEUE WILHELMSTR. 15.

22. December 97

Verehrter Herr Professor

und Adoptiv-Vater!

Ihre schöne, großartige Sendung hat mich in freudigste Aufregung versetzt! Könnte ich Ihnen nur auf bessere Weise als mit schwachen Worten danken! Es rührt mich tief, daß Sie einer kleinen Person (nicht einmal Geh. Räthin) Ihr kost-||bares Werk anvertrauen! Das Buch erfüllt mich mit Ehrfurcht und beinahe heiliger Scheu vor dem großen Manne, der sich herabläßt, es mir in so liebenswürdiger Weise zu spenden! Ich freue mich ganz unbeschreiblich darüber; Ihre Güte u. Großmuth kann ich nicht genug preisen. Es thut meinem Herzen wohl, daß Sie sich auch || meiner geistigen Armuth so väterlich erbarmen! Nun sollten Sie nur einmal kommen und sehen, wie wir „Damen aus der Provinz“ (so heißen wir hier) es im Olymp treiben. Ach, wie schön war’s im Felsenkeller und auf dem Forsthause! Und wie haben wir die glücklichen Tage mit Ihnen in unserm lieben Utrecht genossen! Nun sind wir alt und grau und sollen uns nun noch zu den höfischen || Formen der Geh. Räthe aufschwingen! Ich gebe mir schon gar keine Mühe! Berlin würde am Ende schöner sein, wenn man nicht von Utrecht käme. Wo bleibt die Poesie und Natur?! Nun, wir freuen uns auf Ihren lieben Besuch, und damit wir Sie doch täglich vor Augen haben (nicht allein im Herzen) hat Willy Ihr großes sehr ähnliches Bild im früherena Bureauzimmer des Geh. Rath du Bois aufgehangen. || Kommen Sie nur recht bald, und schauen Sie sich Alles recht genau an. Morgen kommen unsere lieben Kinder aus Utrecht; zunächst meine älteste Tochter mit ihrem Mann, van Heyst, und zu Neujahr folgtb auch das jüngere Paar, unsere Anna mit Narath. Wenn ich die hier habe, wird mir’s wohl erst heimisch werden! ||

Kürzlich lernte ich die niedliche kleine Frau Prof. Hertwig kennen; sie war mir schon lieb, weil ich mit ihr von Jena sprechen konnte, und dabei fand ich immer mehr Gefallen an ihr (wohl auch, weil sie keine Geh. Räthin-Mine macht!) Und nun zum Schluß meinen allerunterthänigsten, tiefgefühltesten Dank u. || herzlichste Grüße von meiner größeren und besseren Hälfte; dazu auch von der kleineren Hälfte unserer Kinderschaar, da wir unsere drei ältesten in Utrecht lassen mußten. Ich will nicht sagen „leider“, da ich mich für die Kinder freue, daß sie im geliebten Holland bleiben konnten. Willy trägt mir eben || auf, Ihnen noch zu sagen, daß er mit großem Vergnügen die Bekanntschaft von Ihrem Schüler, Herrn Schulze, gemacht habe. Wir Damen aus der Provinz finden ihn auch sehr nett! Freilich bedeutet dies Urtheil ja nicht viel, bis daß wir zum Rang der Geh. Räthin avanciren! In Devotion und herzlicher Adoration

Ihre greise Freundin

E. Engelmann. #

# soll heißen: Haeckelina.c

a eingef.: früheren; b korr. aus: folgen; c Text weiter am linken Rand von S. 8: # soll … Haeckelina.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.12.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4206
ID
4206