Oppenheimer, Frida

Frida Oppenheimer an Ernst Haeckel, Berlin, 16. Februar 1909

Charlottenburg 16.2.1909.

Ernst Haeckel

gewidmet

von

Frau Frida Oppenheimer, Charlottenburg. Giesebrecht Str. 21.

zum 75ten Geburtstag. – ||

Ein Tag bricht an. –

Siehst Du das Licht hoch oben in weiter Ferne nicht!

Hinter Schleiern verborgen, das heilige Licht!

Es glühet dort und überdauert Dich und mich!

Und endlich bricht’s hervor und es wird klar und hell!

Ganz fleckenlos erglänzt der Wahrheitsquell!

Ein Tag bricht an, wie ihn die Gottheit einsta erdacht,

Als sie die Welt die blühende gemacht! ‒ ‒

Und herrschet die Lüge Jahrtausende lang!

Auch sie vergehet! Drum sei nicht bang!

Und leiden Millionen Jahrtausende lang!

Sie werden gerächt! Drum zweifle nicht lang! –

Schon hinter dem Schleier flammt es und loht!

Tod und Verderben der Lüge droht!

Es zittern die Götter auf Erdenhöhen!

Die Denker haben das Licht gesehen!

Morgenrot hinter den Schleier bricht!

Ernst Haeckel enthüllet das heilige Licht! ‒ ‒ ‒

Es konnte die Lüge das Licht wol verhüllen; ‒ ‒ ‒

Doch niemals war es ihr zu Willen! – ||

Es flammet die Wahrheit auf unter dem Schleier!

Und leuchtet in ewig geheimer Feier! –

Es kreisen die Sterne im ewigen Lauf!

Die Denker heben den Schleier auf! –

Schon wanken die Götter auf Erdenhöhen!

Ernst Haeckel hat das Licht gesehen! –

„Und ein Tag bricht an, wie ihn die Gottheit erdacht,

Als sie die Welt, die blühende, gemacht!“ –

„Das heilige Licht vom Schleier enthüllt,

Zeiget der Wahrheit herrliches Bild!

Sie selber schüret mit heiliger Hand

Das Gottes Feuer im Erdenland!“

Sie selber spricht mit flammenden Mund:

„Das heilige Licht im Weltenrund,

Die Gottheit, die durch Schleier bricht –

Ganz fleckenlos,

Bin ja nur Ich!“ ‒ ‒ ‒ ||

Leuchten am Himmel die Sterne,

Um zu der Erde Schwellen –

Hinaus in die Ferne –

Ewige Strahlen zu wellen: ‒

„Dann kommen die Dunkelmänner!“

Nennen sich „Wahrheitsbekenner!“

Blenden mit Flittergold!

Nehmen die Lüge in Sold!

Verhüllen der Wahrheit Gesicht!

Verleugnen das ewige Licht! –

Kläffen zum Sterne dem „Häckel“,

Drum auch die Dennert und Teckel!

Sowie die Reinke’s und His,

Und andre beschränkte Genie’s!

Es bellen im tiefen Baß

Laut die Tartüffe und Brass!

Entstellen ohne Genie

Gesetze der Ontogenie!

Gründen zur bösen Stund’

Einen Lügen Bund!

Leihen sich Kepler’s Namen!

Rufen des Genius Namen! –

Für ihren Lügenkreis

Als einzigen Beweis! ‒ ‒ ||

Drum, hochverehrter Meister,!

Wenn auch die kleinen Geister

Die Wahrheit nicht vertragen,

„So muß es dennoch tagen! ‒ ‒ “

„Das Licht, das Du entzündest,

Die Lehre, die Du kündest,

Wird ewiglich bestehen! ‒ ‒ ‒

Sie aber – sie verwehen! ‒ ‒

Und noch nach tausend Jahren

Wird Dich der Enkel wahren! ‒ ‒

Was heute Du gesäet,

Wird reife Früchte tragen!

Wenn auch die kleinen Geister,

die Wahrheit nicht vertragen!“ –

„Unsterblich bist Du worden!

Du trägst den höchsten Orden!

Den, der Wahrhaftigkeit! –

Mög’ Dir drum lange Zeit

Gesundheit, Glück erblühen!

Und Segen mit Dir ziehen!“

„Strahl’ weiter Deine Bahn,

Du hast den besten für ewge Zeit genug getan!“ ‒ ‒

Mit ergebenen Grüßen

Frau Frida Oppenheimer

a eingef.: einst

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.02.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 42058
ID
42058