Naumann, Moritz

Moritz Naumann an Ernst Haeckel, Berlin, 24. November 1892

Berlin, den 24. November 1892

Hotel Fürstenhof (Leipzigerplatz)

Hochzuverehrender Herr Professor!

Gestatten Sie mir zunächst Ihnen für Ihren gütigen und liebenswürdigen Brief vom 3. d. M. meinen ergebensten Dank auszusprechen. Ich habe, ehe ich ihn beantworte versucht, in dem von Ihnen und mir erstrebten Sinne weiter zu wirken und erlaube mir Ihnen hierdurch von dem Ergebniß Mitteilung zu machen.

Ich habe mich hier in Berlin zunächst mit Dr. Otto Arendt dem Herausgeber des D. Wochenblattes in Beziehung gesetzt. Dieser verwies mich an Herrn von der Heydt und Herrn Schroeder Poggelow, die Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Verbandes als || die geeigneten Persönlichkeiten. Ich habe bei beiden Herrn große Begeisterung und lebhafte Zustimmung zu dem Projekt gefunden. Wir haben nunmehr an hervorragende Persönlichkeiten hier in Berlin und in verschiedenen Teilen von Deutschland geschrieben und sie gebeten zu einer vertraulichen Besprechungen über die Bildung einer neuen Partei, die alle gemäßigten und unabhängigen Elemente umfaßt, am 4. November hier in Berlin zusammenzukommen. Die Partei soll an die glorreiche Vergangenheit unter Bismarck anknüpfen, die Entschlossenheit dokumentieren, sich die Errungenschaften dieser Zeit nicht durch Dilettanten || entreißen zu lassen und dem neuen Kurs wegen seiner Schwäche (englischer Vertrag, Sperrgelder, Welfenfonds) seines Zusammengehens mit unnationalen Elementen (Polen, Welfen), seines Liebäugelns mit dem Centrums, seinen absolutistischen Velleitäten anständige aber scharfe Opposition machen.

Aus Leipzig haben wir bereits die Zusage von Prof. Wislicenus und Buchhändler von Haase, die mit andern Herren herüberkommen wollen.

Wir rechnen bestimmt darauf, daß Sie hochverehrter Herr Professor uns Ihre unentbehrliche Mitwirkung nicht versagen werden und am 4. hierherkommen. Vielleicht bringen sie noch || andere geeignete Persönlichkeiten mit.

Wir bitten uns ihre Zustimmung sogleich, womöglich telegraphisch zu geben. Selbstverständlich ist es dringend notwendig, die Angelegenheit vorläufig streng vertraulich zu behandeln. Wir wollen in Berlin ein Programm vereinbaren, mit demselben aber erst nach der Entscheidung über die Militärvorlage an die Oeffentlichkeit treten.

Mit Herrn Hartmeyer dem Redakteur der Hamburger Nachrichten habe ich vor einigen Tagen in Hamburg konferirt. Er hält unser Vorgehen für völlig zweckentsprechend. Dr. Chrysander ist durch Herrn van Eycken, dem Schriftführer des Allgemeinen Deutschen Verbandes von unsern Schritten in Kenntniß gesetzt.

Mit dem Ausdruck besonderer Hochachtung

Dr. M. Naumann

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
24.11.1892
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 41803
ID
41803