Schäfer, Dietrich

Dietrich Schäfer an Ernst Haeckel, Heidelberg, 2. März 1903

Abschrift des Briefes von Herrn Geh. Rat Schäfer

2. März 1903. Heidelberg.

Hochverehrter Herr College!

Meinen besten Dank für die Uebersendung der gefassten Beschlüsse!

Ich kann mich im Grossen und Ganzen mit ihnen einverstanden erklären. – Nur bin ich der Meinung, dass die Preise etwas zu reichlich ausgeworfen sind. Das wissenschaftliche Verdienst der Leistungen, nach dem in Deutschland im allgemeinen geltenden Massstabe pecuniär zu hoch eingeschätzt und zu reich belohnt worden ist. Wirklich wissenschaftlichen Wert haben doch nur vereinzelte Arbeiten, auf historischem Gebiet nicht eine einzige. In dieser Richtunga ist das Ergebniss der Preisarbeit einfach gleich null; eine ganze Reihe der besseren Arbeiten predigen von biogenetischer Grundlage aus historische Wahrheiten, die den Verfassern längst bekannt gewesen sein würden, wenn sie sich überhaupt jemals ernsteren historischen Studien zugewendet hätten. Nicht eine einzige der Arbeiten hat den so überaus dankbaren Versuch gemacht, unsere bestehenden politischen Parteien geschichtlich zu begreifen, ein Versuch, der den Intentionen des Preisstifters, wenn mir diese recht bekannt sind, so nahe gelegen hätte. Von diesem Gesamturteil aus muss ich es geradezu bedauern, dass die ursprünglich ausgesetzte Summe noch erhöht worden ist, durch manche der verteilten Preise wird den einzelnen Arbeiten eine Bedeutung beigelegt, die sie nicht haben und die Preisrichter sollten es wirklich überlegen, ob sie den Kreis der gekrönten Arbeiten nicht wesentlich enger ziehen wollen. Die Wissenschaft würde || dadurch kaum Schaden leiden.

Im Einzelnen trage ich zunächst Bedenken, dass die Arbeit Nr. 53 über die in zweiter Rubrik stehenden hinausgehoben worden ist. Sie verdient dies nach meiner Meinung nicht, jedenfalls ist ihr Nr. 30 an wissenschaftlicher Vertiefung und Urteilsschärfe weit überlegen. Ich möchte aber auch Nr. 30 nicht mit dem 1. Preise auszeichnen. Es ist ja keineswegs notwendig, dass ein 1. Preis verteilt wird; bei wie vielen Preisausschreiben geschieht dies nicht! Zeichnet man Nr. 53 so aus, so übernimmt damit auch das Preisrichter-Collegium eine Verantwortung, die ich jedenfalls nicht mit tragen möchte. Es ist eben doch keine first class Arbeit darunter, ich bitte also dringend, den gefassten Beschluss in diesem Punkte zu ändern. Die beste Arbeit von allen ist nach meinem Urteil Nr. 30. – Aber für einen 1. Preis genügt sie mir auch nicht. Die Aufgabenstellung verlangt doch auch ein historisches Urteil, aber das besitzt in selbständiger Weise kaum einer der Autoren.

Noch entschiedener muss ich mich gegen die Einreihung von Nr. 17 in die 3. Preisreihe aussprechen, dagegen muss ich geradezu Protest erheben, als einer der drei Preisrichter. Die Arbeit enthält in ihren geschichtlichen Bemerkungen so läppische Dinge, dass ich blamiert wäre, wenn sie unter meiner Mitwirkung preisgekrönt würde.

Auch die Heranziehung von Nr. 24 zu einem Preise muss ich bedauern. Mit dem übrigen kann es so weit meine Erinnerung reicht, hingehen. – Aber gut wäre es wirklich, wenn man die Preise auf eine 2. und 3. Gruppe im Ganzen etwa 7 Arbeiten be-||schränkte und sie ermässigte: Vier mal 5000, drei oder vier mal 2000. Der ursprüngliche ausgesetzte Preis hätte gerade gut gereicht. Der Nachschuss könnte auf den Druck verwendet werden.

Im Uebrigen kann ich mich mit der Bekanntmachung einverstanden erklären.

Für Ihre freundlichen Wünsche zur Uebersiedlung sage ich meinen allerherzlichsten Dank. Es gibt noch viel zu lösen und neu zu knüpfen. In herzlichster Erwiederung [!] Ihrer freundlichen Grüsse

Ihr

alt ergebener College

(gez.) Schäfer.

a gestr.: Ergebniss; eingef.: Richtung

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
02.03.1903
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 41710
ID
41710