Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Ostwald, Jena, 26. Mai 1914

Jena 26. Mai 1914.

Lieber und verehrter Freund!

Ihren gestrigen, so eben erhaltenen Brief beeile ich mich sofort zu beantworten, in der Hoffnung, die trüben Wolken zu zerstreuen, welche unser wertvolles Freundschafts-Bündnis in Folge der Differenz unserer Ansichten über die Verwendung der für den E. H. Schatz gesammelten Gelder bedrohen. Es versteht sich von selbst, dass diese bedauerliche, an sich geringfügige Differenz weder unser gutes persönliches Verhältnis trüben, noch unserem Monistenbunde, den wir Beide in gleichem Maasse aufrichtig fördern wollen, zum Nachteil gereichen darf. Ich hoffe zuversichtlich, dass eine offene mündliche Aussprache in nächster Woche, bei Ihrem bevorstehenden Besuche in Jena den erwünschten Ausgleich herbeiführen wird. ||

In sachlicher Beziehung beschränke ich mich heute auf den Hinweis, dass das Phyletische Archiv in Jena, für dessen Einrichtung und Organisation, sowie für die Besoldung des dafür anzustellenden Archivars, ich die Hälfte der gesammelten Schatz-Gelder zu verwenden wünsche, zugleich ein Archiv des Monistenbundes sein und ebenso die grossen Aufgaben desselben (auf Grund der Entwickelungslehre) fördern soll, wie die von Ihnen geplanten Unternehmungen zur Propaganda des Monismus, für deren Förderung Ihnen die andere Hälfte ganz zu Ihrer freien Verfügung überlassen bleibt. Über die Einzelheiten werden wir uns hoffentlich demnächst in wohlwollender mündlicher Aussprache leicht verständigen. ||

Herzlichen Dank schulde ich Ihnen auch für die schöne, heute übersandte Festrede, welche Sie am 19. Februar in Hamburg bei der Feier meines 80.sten Geburtstages gehalten haben; nicht minder für Ihre gedankenreiche kürzlich zugesandte „Philosophie der Werte“. Die Versicherung, dass ich Ihre vielseitige und unermüdliche Tätigkeit als Praesident unseres stetig wachsenden Monistenbundes dankbar anerkenne und überaus hochschätze, brauche ich nicht zu wiederholen. – Den versprochenen Aufsatz für das „Monistische Jahrhundert“ hoffe ich sicher in nächster Woche liefern zu können. Ich kann leider jetzt nur noch langsam und mit sehr verminderter Energie arbeiten, durch viele unliebsame Zwischenfälle und Abhaltungen gestört.

Ihr herzlich ergebener

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.05.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, NL Ostwald
Signatur
1041, 50/32
ID
41433