Ernst Haeckel an Otto Lehmann, Jena, 18. März 1918
Herrn Prof. Dr. Otto Lehmann
(Karlsruhe)
Jena 18.3.18.
Hochgeehrter Herr College!
Ihre freundlichen Mitteilungen über den Erfolg Ihres zweistündigen, durch Kino-
Photogramme erläuterten Vortrag über Ihre Rheokristalle haben mich sehr interessiert, besonders auch das bezügliche Gedicht meines früheren hiesigen Kollegen Arthur Böhtlingk. Ich bedauere bloß, daß ich nicht selbst dabei zugegen sein konnte, und Ihnen nur schriftlich meinen herzlichsten Dank aussprechen kann. Bei mündlicher Verständigung würde es auch wohl leicht gelingen, Sie von der „Seele“ Ihrer (wirklich!) lebenden Kristalle zu überzeugen, wenigstens in meiner Auffassung. Einen „Freien Willen“ kann ich nicht als Seelen-Attribut anerkennen aus den Gründen, die ich in den „Lebenswundern“ und andern Schriften angeführt habe.
Aus vielen Zuschriften erfahre ich, daß meine letzte Arbeit „Kristallseelen“, weite Kreise interessiert und zum Studium Ihrer bahnbrechenden Arbeiten angeregt hat.
Mit freundlichen Grüssen und mit wiederholtem Dank
Ihr ergebenster
Ernst Haeckel.