Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Gottlob Linck, Jena, 28. Oktober 1912

An Seine Magnifizenz, Herrn

Prorector Geheimerat Pr. Dr. G. Linck.

Jena 28. October 1912

Bericht über die Ernst-Haeckel-Stiftung.

Magnifice Academiae Prorector!

In einem Bericht, welchen ich am 30. Juli 1912 an den Universität-Kurator, Herrn Geheimen Staatsrat Dr. Vollert sandte, hatte ich demselben Mitteilung von einem Geschenk von 36.000 Mk – Sechs und Dreißig Tausend Mark – gemacht, welches mir ein alter Freund und früherer Schüler zur Förderung meiner Lebensaufgabe, des Ausbaues der „Entwicklungslehre“, kürzlich übergeben hatte. Der Stifter, welcher nicht genannt sein will und sich als „Amicus Veritatis“ bezeichnet (S. A. V.) hat mir über dieses Kapital und seine Zinsen völlig freie Verfügung überlassen. Ich habe daraufhin das Kapital (– welches am 5. August 1912 von der Deutschen Bank in Berlin an das hiesige Universität-Rentamt eingesandt und in Vierprozentigen Mündelsicheren Schuldverschreibungen angelegt ist –) der Universität Jena als deren Eigentum überwiesen und der älteren (von meinen Schülern 1894 gegründeten) „Ernst-Haeckel-Stiftung“ zugeführt. ||

Bei Gelegenheit des Besuches, welchen Ew. Magnifizenz am 6. Oktober dieses Jahres mir abzustatten die Güte hatten, teilten Sie mir mit, dass mein oben erwähnter Bericht vom 30. Juli bereits am 3. Oktober der Verwaltungs-Deputation des Illustren Senats zur Beratung vorgelegen habe. Dabei sind über einige Bestimmungen des Berichtes, welche der Herr Universitäts-Kurator in 12 Paragraphen formuliert hatte, erhebliche Bedenken geäußert worden; insbesondere von meinem Amtsnachfolger Herrn Professor Dr. Plate, welcher als Direktor des zoologischen Institut und des Phyletische Museum das nächste Interesse an dieser neuen Stiftung und ihrer Verwendung hat.

Zur Hebung jener Bedenken und zur Verständigung über die Grundsätze dieser Verwendung habe ich mit Herrn Prof. Dr. Plate zwei eingehende Besprechungen gehabt, am 12. und am 28. October. Seinen Wünschen entsprechend habe ich die beanstandeten Paragraphen teils verändert, teils gestrichen und überhaupt dem Bericht (– unter Beibehaltung aller wesentlichen Bestimmungen –) eine kürzere und einfachere Fassung gegeben. Ich werde den neuen Entwurf später dem Illustren Senate mitteilen und dabei zugleich das Verhältnis der „Ernst-Haeckel-Stiftung“ zu dem Phyletischen Museum und zu dem Phyletischen Archiv (als besonderer Abteilung des Letzteren) klar stellen. ||

Zunächst genügt jetzt die Mitteilung, dass ich in Betreff der fraglichen Bestimmungen mich mit Herrn Prof. Dr. Plate vollständig in Einvernehmen gesetzt habe und dass folgende Sätze als wesentlichste festgehalten worden sind:

I. Das Kapital (36.000 Mk) der neuen S. A. V. Stiftung bleibt Eigentum der Universität Jena und wird nach den bestehenden Vorschriften verwaltet; dasselbe darf nicht angegriffen werden.

II. Die Zinsen dieses Kapitals (1440 Mk jährlich) werden für meine Lebenszeit von mir, den Intentionen der Stifter gemäss, zur Förderung der Entwickelungslehre verwendet werden. Nach meinem Tode soll der jeweilige Direktor des Phyletischen Museums (– dem zugleich die Direktion des Phyletischen Archivs zusteht –) in demselben Sinne über die Verwendung der Zinsen verfügen. Jedoch ist dasselbe für die nächsten acht Jahre (bis 1920 inclusive) an die nachstehende Bestimmung (III) gebunden.

III. Als die nächste Aufgabe soll die Abfassung und Veröffentlichung einer „Geschichte der Entwickelungslehre“ betrachtet werden, für welche meine (seit 50 Jahren gesammelten und im Phyletischen Archiv untergebrachten) Literarischen und Artistischen Dokumente ein sehr reichhaltiges und in seiner Art einziges Material liefern.

IV. Für diese Arbeit soll einer meiner Schüler, der mit den betreffenden Verhältnissen und Aufgaben genau bekannt ist, zunächst auf acht Jahre angestellt werden und dafür aus dem Zinsertrag der Stiftung jährlich 1200 Mk erhalten. Der Rest des Zinsertrages (240 Mk), sowie noch zu erwartende weitere Schenkungen sollen zum Kapital geschlagen werden. – (Vom 1. Januar 1913 angerechnet.).│

Indem ich mir einige Erläuterungen und Zusätze für einen späteren ausführlicheren Bericht vorbehalte, bleibe ich mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung

Ew. Magnifizenz ergebenster

Ernst Haeckel.

[Marginaldekrete des Prorektors Gottlob Eduard Linck]

1.) Herrn Kollegen Plate zur gefl. Kenntnisnahme und Äusserung.

2.) An den Verwaltungsausschuß. Linck

[Stellungnahme von Ludwig Plate]

Ew. Magnifizenz || teile ich ergebenst mit, dass ich gegen vorstehende Fassung nichts einzuwenden habe, mir aber eine Abschrift dieser Urkunde für meine Acten ausbitte. Exc. Haeckel bitte ich für diese erfreuliche Erweiterung unserer Mittel aufrichtigst zu danken.

Ergebenst

L. Plate

5/XI 1912

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.10.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
BA 1585, Bl. 83r-84v
ID
41302