Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Breitenbach, Jena, 17. März 1913

Jena, 17.3.1913.

Lieber Herr Doktor!

Mein Aufsatz in der Vossischen Zeitung vom 22. September 1912: „Schafft die Natur Kunstwerke?“ – steht Ihnen natürlich zu beliebiger Benutzung für Ihre Arbeit gern zu Diensten. Er hat aber eine eigentümliche Vorgeschichte. Ursprünglich schrieb ich ihn unter dem Titel „Kunstwerke der Zelle“ als Entgegnung gegen die albernen Angriffe von Prof. Voll (München).

Einige Monate später ersuchte mich Dr. Adolf Heilborn (Steglitz) um irgend einen Beitrag für das neue Lieferungswerk „Die Wunder der Natur“ (Bong, Berlin). Da gerade der obige Artikel ungedruckt vorlag, überliess ich ihm demselben; jedoch bat er, die Polemik gegen Voll weglassen zu dürfen, womit ich einverstanden war.

Nun erschien der Artikel (verkürzt) in der 3. Lieferung der „Wunder der Natur“ (S. 62–68) illustriert durch die schlechtesten von allen Figuren der Radiolarien (aus dem Photogr. Atlas von Burg, Polycystina). Ich wurde wegen der Illustration gar nicht befragt! Auch erhielt ich nicht einmal das 4. Heft (Schluß des Artikels)!!

Einige Wochen später schrieb mir Dr. Heilborn, dass die Vossische Zeitung gerade den polemischen Teil des Artikels zu bringen wünsche (ohne Beigabe von Figuren); auch damit war ich einverstanden; so kam der Aufsatz in die Voss. Zeitung vom 22. Sept. 1912. Sie werden also wegen Benutzung desselben wohl bei Bong (und auch bei der Redaktion der Voss. Ztg.?) anfragen müssen.

Wenn Sie in Ihrer Arbeit die Probleme der „Grundformen“ (– „Promorphologie“, 1866) und die anschliessenden Fragen der Aesthetik besprechen wollen, finden Sie Material (mit vielen neuen Gedanken, noch von Niemand berücksichtigt) im 11. Heft meiner „Kunstformen der Natur“ (Supplement-Heft, ohne Tafeln). ||

– Das neue grosse Buch von Prof. Plate (über „Vererbung“) habe ich noch nicht gesehen. Ich lese übrigens Nichts mehr über diese und andere Fragen der Selections-Theorie, nachdem ich mir 50 Jahre lang die Zähne daran abgebissen habe (grossenteils vergeblich!).

– Da es mit meiner Gesundheit und Arbeitskraft (leider!) beständig bergab geht, beschäftige ich mich nur noch mit Vorbereitung zur letzten Reise – in die „Nirwana“!

Mit freundlichem Gruss

Ihr alter

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
17.03.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Archiv des Helmholtz-Gymnasiums Bielefeld
ID
41118