Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Breitenbach, Jena, 3. November 1912

Jena 3.11.12.

Lieber Herr Doktor!

Für Ihre wiederholten freundlichen Zusendungen, die mich sehr interessiert haben, meinen besten Dank; insbesondere auch für Ihre Äußerungen über das Phylet. Archiv, und über die „Energetik“ etc. Die betreffende Nr. 10 Ihrer vortrefflichen „Neuen Weltanschauung“ (– die ich nach Kräften zu fördern mich bemühe! –) ist sehr lehrreich. In der modernsten Physik (resp. „Physikalisch-Metaphysischer Philosophie“!) herrscht zur Zeit heilloseste Anarchie! Welche fundamentalen Widersprüche in Bezug auf Materie, Aether (im Vacuum!!), Energie, Entropie etc. etc. ||

Auf die weitere Entwickelung unseres „Monistenbundes“ bin ich schon gespannt (– und besorgt! –). Leider kann ich nicht mehr aktiv daran mich beteiligen, da meine schmerzhafte Arthritis deformans (in Hüft- und Knie-Gelenken!) langsame Fortschritte macht und mich an aller ernsten Arbeit hindert.

Dadurch bin ich auch gezwungen, die Arbeit am Phylet. Museum einzustellen, und kann nur noch in meiner Wohnung langsam an meiner letzten Aufgabe fortarbeiten, an der Sammlung u. Ordnung meiner Lebens-Erinnerungen, für die ein erstickend umfangreiches Material vorliegt. ||

Mein Verhältnis zu Prof. Plate ist jetzt insoweit befriedigend hergestellt, als ich (– durch die persönlichen, amtlichen, räumlichen und finanziellen Verhältnisse gezwungen –) seine Forderungen im Wesentlichen bewilligt und meine eigenen Ansprüche in stiller Resignation auf ein Minimum reduzirt habe. Wir haben (nachdem ich ihn 2 Jahre nicht gesehen und gesprochen) 2 längere versöhnliche Aussprachen gehabt. Pl. hat wohl (– nachdem er von allen Kollegen boykottiert wurde! –) sein schweres Unrecht allmählich eingesehen. Er hat es dadurch teilweise gutgemacht, daß er das Phylet. Museum (seit Mai eröffnet und viel besucht) wirklich gut, und meinen Plänen entsprechend, eingerichtet hat. ||

Dr. H. Schmidt ist seit 14 Tagen an Influenza erkrankt u. leidet sehr unter mißlichen häuslichen Verhältnisse. Ich hoffe trotzdem, daß er die übernommene Arbeit im Phylet. Archiv (– ungeachtet vieler Hindernisse! –) im Wesentlichen wird ausführen können.

– Man wird im Alter immer bescheidener! –

Mit freudl. Grüßen

Ihr alter

E. Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
03.11.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Archiv des Helmholtz-Gymnasiums Bielefeld
ID
41113