Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Georg Reimer, Jena, 13. Juli 1862

Jena 13.7.62.

Lieber Georg!

Herzlichsten Dank für Deinen letzten lieben Brief, der mir durch das Versprechen, bis zur Hochzeit (17. August) den Druck der Radiolarien vollendet zu haben, in der That einen schweren Stein vom Herzen genommen hat. Seit etwa 14 Tagen quälte mich die traurige Alternative, entweder die Hochzeitreise der lieben Correcturbogen wegen verschieben resp. abkürzen zu müssen, oder aber den Druck (und damit das überdies schon so sehr verschleppte Erscheinen des Werkes) durch die Hochzeitsreise auf etwa 2 Monate zu unterbrechen. Eines war mir fast ebenso unangenehm, als das andere. Doch hatte ich mich in der letzten Woche für den letzteren Casus entschieden, da ich kaum noch hoffen konnte, daß selbst bei größerem Fleiße der Setzer alles im August || fertig werden würde. Dein letzter Brief belehrt mich zu meiner großen Freude eines Besseren. Fast noch mehr indeß, als Dein bestgemeintes Versprechen, hat mich die reale Thatsache erfreut, daß in den letzten beiden Wochen wirklich 6 Bogen gedruckt worden sind! Ich hatte die Möglichkeit einer solchen Beschleunigung nach Deinen eigenen Versicherungen kaum mehr für möglich gehalten. Wenn so fortgesetzt wird, so ist allerdings Hoffnung, daß Alles noch bis zum 17. August fertig gesetzt wird. Denn außer dem dort befindlichen Text (10 Bogen) werden höchstens noch 4–5 Bogen (für Titel, Register etc) hinzu kommen. Indeß ist es dann durchaus nothwendig, daß nicht der mindeste Nachlaß in diesem neu belebten Setzer-Eifer eintritt. Bisher hielten es die Herren Setzer immer || so, daß sie nach jeder neuen Mahnung 2 Bogen in der nächsten Woche lieferten, dann aber wieder pro Woche nur einen! Hoffentlich erhältst Du sie jetzt Zuge, daß ich wöchentlich mindestensa 3 Bogen bekomme. Ich werde meinerseits Alles thun, um nicht durch schwierige Correcturen den Druck aufzuhalten, und habe mich schon bei Correctur der beiden letzten Bogen auf das ganz Unvermeidliche beschränkt.

Mit dem Coloriren der Probe-Tafeln hoffe ich noch in dieser Woche fertig zu werden und werde Dir sie dann sogleich schicken. Den 8 oder 9 August hoffe ich bereits nach Berlin kommen zu können, und dann den dort befindlichen Text fertig gedruckt zu finden, sowie b auch die Zusätze und das Namensregister, etwa 2 Bogen; diese kann ich Dir schon in 14 Tagen zu.schicken, ebenso die Tafelerklärung (etwa 2 Bogen).| auch noch früher, wenn es nöthig ist.

Abgesehen von diesen schweren Sorgen um die Correcturbogen und der peinigenden Angst, daß mein liebes Radiolarien-Kind nicht zeitig genug das Licht der Welt erblicken werde, befinde ich mich, wie Du denken kannst, vortrefflich! Ich bilde mir ein, daß dem ganz schauderhaften Sommer (– wir wissen hier bald nicht mehr, wie der Sonnenschein aussieht, da wir seit 4 Wochen keinen erblickt haben –) ein um so schönerer Herbst folgen muß, wie es sich für eine rechte Hochzeitreise geziemt!

Mit der nochmaligen Bitte um Dein mitfühlendes Herz, die Setzer so im normalen Zuge zu erhalten, und mit bestem Dank für die bereits erfolgte Beschleunigung

herzlich grüßend

Dein E. Haeckel.

P. S. Auch Vorrede und specielles Inhaltsverzeichniß kann ich Dir auf Verlangen schon in den ersten Tagen August senden.

a eingef.: mindestens, b unleserlicher Text gestr.;

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.07.1862
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Verlagsarchiv Walter de Gruyter
Signatur
M 7704 Dep. 42, R1, Haeckel, Ernst, Bl. 20r-21v
ID
40528