Ernst Haeckel an Georg Reimer, Jena, 2. März 1862
Jena 2.3.62.
Lieber Georg!
Zuerst den herzlichsten Dank für die 4 ersehnten Exemplare, welche in diesen Wochen meine nächste Zukunft entscheiden helfen sollen. Mit der Veränderung des Titels bin ich vollkommen einverstanden. Er scheint mir jetzt ganz die richtigen Proportionen zu besitzen. Einen besonderen Dank auch für das Seidenpapier zwischen den Tafeln, welches in dem Grade meinen Beifall gefunden hat, daß ich fast bitten möchte, in Deinem Interesse, es der ganzen Auflage angedeihen zu lassen. Es sieht nicht bloß „zärtlicher“ aus, sondern giebt den Kupferstichen, wie ich glaube, besonders in den Augen des Publicums, mehr den Werth von Kunstwerken, was sie größtentheils – in Bezug auf die musterhafte Ausführung des Stiches – wirklich sind. Sie haben hier die ungetheilteste Bewunderung, und selbst bei meinen sehr kritischen sachverständigen Freunden den lebhaftesten Beifall gefunden. Ich glaube, daß die unbedeutende Ausgabe, die das Seidenpapier machen wird, sich reichlich lohnen wird durch die auffällige Erhöhung des Kunstwerthes der Tafeln, die durch dieses kleine Mittelchen in der That erreicht wird.||
Was die beiden Schmutztitel vor den beiden Hälften des Werkes betrifft, so überlasse ich deren Anwendung ganz Deinem Geschmack. Ich glaube allerdings, daß die beiden Hälften dadurch ganz passend geschieden würden, besonders weil die zweite doch größtentheils mit viel kleinerer Schrift gedruckt wird. Auch wird sie ja wohl trotzdem beinahe den Umfang der ersten erreichen. Nothwendig ist es aber nicht. Wenn Du die beiden leeren Blätter daran wenden willst, würde ich Dir vorschlagen, sie folgendermaßen zu bezeichnen:
Die Radiolarien.|Die Radiolarien.
Erste Hälfte:|Zweite Hälfte.
Allgemeiner Theil|Specieller Theil.||
Die gestern Abenda empfangene Correctur habe ich, wie immer, sofort expedirt, und wird sie also morgen früh wohl schon wieder in der Druckerei sein. Vielleicht wird auch von Bogen 30, mit dem der allgemeine Theil grade abschließt, noch eine zweite Correctur nöthig sein. In dem speciellen Theil wird es nicht mehr so viel zu corrigiren geben, wie in dem allgemeinen, wo die Ausdrücke immer sorgfältigst abgewogen werden mußten.
In 14 Tagen ist nun das Wintersemester zu Ende – ein Halbjahr angestrengtester Arbeit, wie ich mir es in der Art nicht wieder wünsche. Ich werde wahrscheinlich noch bis Ende März hier bleiben, theils um den Rest des speciellen Theils zu vollenden, theils um mein Schicksal zu erwarten, dessen glückliche Wendung in den nächsten Wochen mit Hülfe der 4 Zauber-Mittel ich b in großer Spannung entgegen sehe. Gegenwärtig circuliren sie bereits an den 4 Höfen, wo die zierlichen Kieseltafeln hoffentlich das Herz der grausamen Cultur- und Finanzminister durchbohren, oder vielmehr die Thalassicollen c, der ersten Tafeln, die zierlichen Netzmützchen| und Morgenhäubchen der IV und V, oder die trefflichen neuen Modelle zu Helmen und Panzerhemden auf VI und VII, oder die chinesischen Elfenbeinkugeln auf 23 u. 24 etc das Herz erweichen werden. Hier in Jena ist diese magische Wirkung der Radiolarien-Tafeln bereits erfolgt. Der Prorector hat das der Universität geschenkte Exemplar unter den Senatoren circuliren lassen, und ich habe dafür in den letzten Tagen bereits mehr Schmeicheleien geerndtet, als ich wahrscheinlich in aller Zukunft hier werde zu hören bekommen.
Auch die splendide Ausstattung wurde gebührend gewürdigt, und sage ich Dir dafür nochmals den freundlichsten Dank! Hoffentlich hält die Schnelligkeit, mit welcher die zweite Hälfte in der Druckerei abgewickelt wird, mit der eleganten Ausstattung gleichen Schritt, d damit das Werk nicht gar zu spät im Sommer erscheinen kann.
Mit herzlichstem Gruß und Dank
Dein Ernst Haeckel.
a eingef.: Abend; b gestr.: in; c gestr.: und die; d gestr. und