Hatschek, Berthold

Berthold Hatschek an Haeckel, Prag, 21. November 1896

Prag, 21. November, 1896.

Hochverehrter Meister!

Gestatten Sie, dass ich Sie so nenne, da ich stets bestrebt war aus Ihren meisterhaften Werken so viel als möglich zu lernen. Ich habe stets als Schüler zu Ihnen aufgeblickt, wenn es mir auch nicht vergönnt war mehr als einzelne Stunden in Ihrem Hörsaale Ihren Worten zu lauschen.

Sie haben uns Zoologen in Ihrer systematischen Phylogenie ein Fundamentalwerk geboten, welches nicht nur in dem reichen Gedankeninhalt, sondern ebenso auch in der Methodik von unvergänglicher Bedeutung bleiben wird. ||

Für die gütige Zusendung des Widmungsexemplares, durch welche Sie mich geehrt haben, sage ich Ihnen meinen innigsten Dank, ebenso für Ihre neueste höchst interessante Echinodermen-Monographie.

Den Band über die Wirbelthiere habe ich schona genau studirt und ungemein viel Belehrung und Anregung und auch neue Begeisterung für eigenes Weiterarbeiten daraus geschöpft. Sie werden bei der grossen Mannigfaltigkeit des Themas unbedingte Übereinstimmung in Bezug auf jedes Detail nicht erwarten. Aber ich hoffe, dass Sie meine auf das Ganze gerichtete begeisterte Zustimmung freundlich aufnehmen, da ich || selbst auf diesem Gebiete seit Jahren intensiver arbeite und in nächster Zeit auch mehrfach hierin zu publiciren hoffe.

Ihre Werke kommen mir auch sehr zu statten in dem neuen Wirkungskreis, den ich demnächst antrete, da ich zum Sommersemester an die Stelle von Claus nach Wien abgehe.

Glücklicher Weise ist meine jahrelange Krankheit und Missstimmung derart überwunden, dass ich seit längerer Zeit wieder mitten in der Arbeit bin und der neuen Thätigkeit mit Ruhe entgegensehen kann. Die Aufgabe ist eine schwierige, denn man ahnt kaum in welch schiefe Richtung durch Claus alles was mit dem Fache zusammenhängt || gerathen ist.

Eine unserer Hauptaufgaben wird es sein, die Triester zoologische Station ins richtige Geleise zu bringen. Vorläufig ist es eher noch unbestimmt, ob mir die Direktion übergeben wird. Ich hoffe, dass wir jedenfalls aus dieser Anstalt bald etwas Rechtes werden sehen, und dass dann unsere deutschen Zoologen, und vor allem unsere besten Männer wieder zu eigenem Nutzen und uns zur Ehre recht oft die Gastfreundschaft der Station in Anspruch nehmen.

Einige Worte von Leiden und Müdigkeit, die ich in Ihrem Briefe finde, muthen mich gar seltsam an. Ich hätte || nicht geglaubt, dass diese Mächte Sie auch nur vorübergehend bezwingen können. Jener Haeckel, der in meiner Erinnerung lebt, wird auch rasch darüber hinwegkommen. Ein wenig Ruhe nach den riesigen Arbeitsleistungen der letzten Jahre wird Wunder wirken.

Ich hoffe in Wien etwas von Ihrem Geiste in der Zoologie zur Geltung zu bringen, und ich hoffe auch dass Sie durch meine weitere Thätigkeit mich würdig befinden, zu Ihren Schülern zu zählen.

Ich hoffe, dass es mir auch vergönnt sein wird im Laufe der nächsten Zeit, Sie wieder einmal zu sehen und wie aus Ihren Werken so auch aus Ihrer Persönlichkeit neues Beispiel || und neuen Muth zur Arbeit zu gewinnen.

In steter aufrichtiger Bewunderung

Ihr dankbarer

B. Hatschek.

a eingef.: schon

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
21.11.1896
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Wiener Stadt- und Landesbibliothek
Signatur
90.682
ID
40385