Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Thomas Henry Huxley, Jena, 16. November 1862

Jena 16 November

1862.

Hochverehrter Herr!

Erst heute finde ich die Zeit, Ihnen meinen besten Dank zu sagen für den freundlichen Brief und die werthvolle ihn begleitende Gabe, durch welche Sie mir vor Kurzem eine ausserordentliche Freude bereitet haben. Die Anerkennung, welche meine Monographie der Radiolarien bei Ihnen gefunden hat, musste mich um so mehr erfreuen, als ich grade in dem Entdecker der Thalassicollen und Collosphaeren ein besonders hervorragendes Mitglied der Reform-Naturforscher-Rei! verehre, die jetzt in England wie in Deutschland für die weitere Entwicklung der genetischen Natur-Betrachtungs-Weise kämpfen und den philosophischen Standpunkt nicht über der Special-Forschung verlieren. ||

Die Probe des Polycystinen-Mergels von Barbados, welche Sie mir zu senden die Güte hatten, habe ich bereits zu untersuchen begonnen und bin erstaunt über den Reichthum der wohlerhaltenen, noch ganz unbekannten Formen, welche dieses Gestein fast ausschließlich zusammensetzen. Dieser Reichthum ist so gross, dass ich noch viele Monate werde arbeiten müssen, ehe ich die übersandte Probe vollständig erschöpft habe. Sollte ich dann noch mehr davon bedürfen, so werde ich von Ihrem gütigen Anerbieten Gebrauch machen und Sie um Zusendung eines anderen Stückchens dera Barbados-Erde bitten. Sie haben ausserdem die Güte, mir auch Proben des Mergel- und Polioschiefers von Oran anzubieten, sowie auch Theile von den Tiefgrund-Proben || (deep sea soundings) des Altlantischen Oceans. Auch diese sind mir sehr erwünscht und wenn Sie mir bei Gelegenheit einige kleine Stückchen davon übersenden können, so werden Sie mich zu grossem Danke verpflichten. Vielleicht ist es Ihnen in Ihrem reichen London auch möglich, einmal ein wenig Erde von den Nikobaren-Inseln aufzutreiben, die auch fast nur aus unbekannten Radiolarien-Skeleten bestehen muss, und die zu untersuchen mir eine grosse Freude wäre; dann bitte ich an mich zu denken. Wir armen Deutschen sind nun einmal in unserem unglücklichen zerrissenen Binnenlande und bei unserem Mangel an reichen Hilfsmitteln darauf angewiesen, uns bei unseren ungleich begünstigteren Stammes-Genossen in England || nach Unterstützung umzusehen. Nehmen Sie deshalb diese Bitte um Zusendung von zufällig disponiblem Material nicht übel.

Von meiner Habilitations-Schrift „De Rhizopodum finibus“ habe ich ein Exemplar zur Beförderung an Williams und Norgate an Frommann übergeben. Der Inhalt wird Ihnen übrigens Nichts Neues bieten, da ich ihn ziemlich unverändert in den vierten Abschnitt der Monographie aufgenommen habe.

Empfangen Sie nochmals, hochverehrter Herr, die Versicherung des lebhaftesten Dankes und der vorzüglichsten Hochachtung

von Ihrem ergebensten

Ernst Haeckel

Herrn Prof. Thomas H. Huxley!

a korr. aus: Bar

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
16.11.1862
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Imperial College London
Signatur
Huxley papers, General correspondence, Inv.Id. 17.168. Box No. 17 Series 1h
ID
40315