Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Bartholomäus von Carneri, Jena, 28. Dezember 1893

VILLA HAECKEL.

JENA, DEN 28. Decb. 93.

Lieber und hochverehrter Freund!

Ihre liebenswürdigen Glückwünsche erwidere ich von ganzem Herzen! Ganz besonders wünsche ich Ihnen daß Ihr wiederspänstiges Nerven System sich 1894 besser aufführt als 1893; was gäbe ich darum, wenn ich Ihnen ein neues einsetzen könnte!! Ein so herrlicher Mensch und ausgezeichneter Philosoph, wie Sie, hätte wirklich das Beste verdient! Aber so ist nun einmal unserer vielgerühmte „sittliche Weltordnung“! ||

Wir leben diesen Winter sehr still. Kurz vor Weihnachten starb (wie Sie aus beifolgender Anzeige sehen) meine hiesige Schwägerin, besonders für meine Frau ein schwerer Verlust. Ich stecke tief in einer schwierigen phylogenetischen Arbeit, die mich noch ein Jahr beschäftigen wird, und jenen Trost und jene Erhebung gewährt, die ich je länger je mehr in allgemeinen philosophisch-historischen Betrachtungen finde. Sie verstehen das am Besten! Daß Ihnen Vetter’s Vorlesungen so gefallen, freut mich sehr!

Mit herzlichsten Grüßen und innigem Händedruck

Ihr treuer

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
28.12.1893
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Slg. Wilhelm Börner
Signatur
H.I.N. 167236
ID
40182