Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Jena, 30. November 1899
Jena 30. November 1899
Durchlauchtigster Herr Herzog!
Am letzten Samstag (25. Novbr.) hatte ich die Ehre, als Senior unserer philosophischen Facultät zusammen mit deren Decan, Seiner Hoheit Prinzen Moritz von Altenburg das Diplom als Dr. phil. h. c. zu überreichen, welches die Facultät demselben zu seinem 70. Geburtstage gewidmet hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte ich auch das Vergnügen, Hochdessen Gemahlin, die Schwester Ew. Hoheit, kennen zu lernen, und entledige mich nun des von Derselben ertheilten Auftrages, Ihnen freundliche Grüße zu bestellen. ||
Mit lebhaftem Bedauern habe ich erfahren, daß die Badereise nach England, welche Ew. Hoheit mit ihrer Frau Gemahlin im August d. J. unternahmen, nicht den gewünschten Erfolg für Sie Beide hatte, und daß Ihre Gesundheit nach der Rückkehr noch manches zu wünschen übrig ließ. Hoffentlich sind Sie inzwischen ganz hergestellt.
An die höchst angenehmen drei Tage, welche ich Anfang August in Ihrem herrlichen Lustschlosse Altenstein verleben durfte, denke ich noch immer mit lebhaftem Vergnügen, und mit herzlichem Dank für Ihre liebenswürdige Gastfreundschaft zurück. ||
Von meiner elfwöchentlichen Reise nach Corsica und Rom, die von schönstem Herbstwetter begünstigt war, habe ich bereits Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin Bericht erstattet. Jetzt arbeite ich wieder hier an den „Kunstformen der Natur“, deren viertes Heft nahezu fertig ist, aber erst Anfang 1900 erscheinen wird.
Mein Buch über die „Welträthsel“, das Ew. Hoheit im September durch meinen Verleger zugesandt erhielten, hat mich durch einen unerwarteten Erfolg überrascht. In 8 Wochen sind 4000 Exemplare abgesetzt worden. Jetzt erscheint die dritte Auflage (unverändert). Auch mehrere Übersetzungen sind im Werke. ||
Indem ich Sie bitte, mich Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin ehrerbietigst zu empfehlen, und indem ich beste Wünsche für Ihr Wohlsein hinzufüge, bleibe ich in aufrichtigster Verehrung
Ew. Hoheit ergebenster
Ernst Haeckel.