Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Jena, 30. März 1913

Jena 30. März 1913.

Durchlauchtigster Herr Herzog!

Zu Ihrem bevorstehenden Geburtstage senden meine Frau und ich Ew. Hoheit unsere herzlichsten Glückwünsche! Möge das neue Lebensjahr Sie und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin mit voller Gesundheit erfreuen, und mögen Sie die herrlichen Naturgenüsse des Riviera-Frühlings ungetrübt erheitern. Vor einigen Wochen lasen wir in der Zeitung, daß Ew. Hoheit mehrere Tage sehr unwohl gewesen seien und das Haus hätten hüten müssen. Hoffentlich sind die Folgen dieser unwillkommenen Störung jetzt ganz beseitigt und Sie können wieder die gewohnten Spaziergänge an der Felsenküste von Cap Martin ausführen. ||

Wir genießen jetzt in unserem lieben Thüringen seit 8 Tagen herrliches Frühlingswetter, nachdem der Februar abwechselnd Schnee und Regen gebracht hatte, im Saaltal auch mäßige Überschwemmung. Die Gärten prangen bereits in vollem Blütenschmuck; es ist nur zu hoffen, daß der Nachwinter im April nicht allzuviel Kälte bringt.

Ich selbst habe die letzten drei Monate fast ganz in der Stube zubringen müssen, da die Lähmung des Hüftgelenks und die andern schlimmen Folgen des vor 2 Jahren erlittenen Unfalls sich nicht beseitigen lassen; an Reisen ist nicht mehr zu denken. ||

Das ausgezeichnete Profil-Porträt Ew. Hoheit, das Ihr Herr Sohn, Prinz Ernst, im Dezember gezeichnet hatte, ist von mir und meinen Freunden sehr bewundert worden. Ihre Frau Gemahlin hatte die Güte, mir 12 Exemplare der betreffenden Postkarte durch die Kunsthandlung von Brückner in Meiningen zusenden zu lassen; ich sage dafür meinen herzlichsten Dank!

Eingedenk des freundlichen Interesses, das Ew. Hoheit stets an meinen wissenschaftlichen Erfolgen gezeigt haben, übersende ich Ihnen beifolgend die „Ernst-Haeckel-Nummer“ (Heft 22) des „Monistischen Jahrhunderts“, die an meinem 79.sten Geburtstage erschien. ||

Unsere monistische Bewegung, welche den Ausbau einer vernunftgemäßen Weltanschauung und Lebensführung auf einer wissenschaftlichen Grundlage – frei von Aberglauben und Mystik – anstrebt, macht jetzt erfreuliche Fortschritte in den weitesten Bildungskreisen aller Erdteile.

Indem ich meine aufrichtigsten Wünsche für das Wohlergehen Ew. Hoheit und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin wiederhole, bleibe ich – mit freundlichsten Grüssen an Sie Beide –

Ihr dankbarst ergebener

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
30.03.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Thür. Staatsarchiv Meiningen
Signatur
Hausarchiv, NL Helene von Heldburg, Nr. 1337
ID
40069