Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Jena, 30. März 1911

Jena 30. März 1911.

Durchlauchtigster Herr Herzog!

Zu Ihrem bevorstehenden Geburtstage erlaube ich mir Ew. Hoheit meine herzlichsten und aufrichtigsten Glückwünsche zu senden. Hoffentlich befinden Sie und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin sich in erfreulicher Frische und Gesundheit, so daß Sie die Naturschönheiten der herrlichen Riviera voll genießen können. Wenn das sonnige warme Frühlingswetter dort ebenso tadellos ist, wie hier bei uns in Thüringen seit einigen Tagen, werden die prächtigen Gärten und Strandfelsen von Cap Martin gewiß in vollem Blumenschmuck prangen. ||

Gern wäre ich auch zu Ostern auf einige Wochen an die Riviera gereist und hätte die schönen Eindrücke meiner vorjährigen Frühlingsfahrt aufgefrischt. Auch hatte ich eine dringende Einladung zu dem vierten internationalen Philosophie-Kongreß, der nächste Woche in Bologna stattfindet. Aber wegen andauernder Krankheit meiner Frau, deren altes Herzleiden sich in den letzten Monaten verschlimmert hat, kann ich jetzt Jena nicht verlassen. Auch brauche ich viel Zeit für die Ausstattung des Phyletischen Museums, dessen Archiv ich bis zum Herbst zu ordnen hoffe. ||

Im Laufe des Winters bin ich wieder durch mehrere schöne Geschenke für das Phylethische Archiv erfreut worden, Bilder und plastische Kunstwerke. Auch hat eine Sammlung, welche die Redaktion des „Freien Wort“ in Frankfurt a/M bei Gelegenheit meines 77sten Geburtstages, und das des bald darauf folgenden „Goldenen Dozenten-Jubiläums“ veranstaltete, die erfreuliche Subvention von 10.000 Mk ergeben. Die interessante Porträt-Gallerie, in der das vorzügliche, allgemein bewunderte Bild Ew. Hoheit, auf dessen Gelingen Prinz Ernst mit Recht stolz sein kann, ein Hauptstück bildet, kann nunmehr auch in Bezug auf Dekorations-Ausstattung schön werden. ||

Der Tod unseres hochverehrten Freundes Exzellenz von Eggeling, mit dem ich 25 Jahre für das Wohl unserer lieben Universität Jena vereinigt zu wirken das Glück hatte, war auch für mich ein sehr schmerzlicher Verlust. Die akademische Trauerfeier in der Aula der neuen Universität, die zu seinen Ehren stattfand, verlief sehr schön und würdevoll, unter allgemeiner herzlicher Beteiligung; ebenso wie kurz vorher, ebendaselbst, die Gedächtnisfeier für den unvergeßlichen Ernst Abbe, dessen schönes Bronze-Denkmal (Brustbild) – Geschenk der vier Durchlauchtigsten Erhalter – in eine Nische der Aulawand gesetzt wurde. – Mit ergebensten Grüßen an Ew. Hoheit und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin dankbarst

Ihr Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
30.03.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Thür. Staatsarchiv Meiningen
Signatur
Hausarchiv, NL Helene von Heldburg, Nr. 1337
ID
40062