Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 22. Mai 1882

Jena 22 Mai 82

Liebste Mutter!

Ich denke Sonnabend Abend in Potsdam anzukommen und die 3 Feiertage bei Dir zu bleiben. Mittwoch werde ich dann nach Berlin gehen und dort 3 Tage Vielerlei zu besorgen haben. Ich werde diesmal bei Ernst Reimer wohnen, der mich schon zu Ostern dringend eingeladen hat. Es ist das wohl um so besser, als a Tante Bertha ohnehin so vielen Besuch immer hat, und ich fürchte, ihr zu sehr zur Last zu fallen. ||

Hier ist Alles wohl. Ich habe die vielerlei Arbeit und Unruhe, welche die ersten Wochen nach der Rückkehr brachten, nun glücklich hinter mir. Meine Vorlesungen sind diesmal so außerordentlich besucht (über 100 Zuhörer) daß ich aus meinem Institut ausziehen und das größte Auditorium in der Universität nehmen musste. Dabei musste ich komischer Weise mit einem Theologen (Lipsius) tauschen, der nun in meinem zool. Audit. liest. ||

Sonnabend 13 Mai war ich in Weimar, um Besuche bei der Großherzogl. Familie und den Ministern zu machen. Überall wurde ich eben so herzlich als freundlich aufgenommen. Auch die Aufnahme bei den guten Jenensern (– die auf b ihren „berühmten Ceylon-Reisenden“ sehr stolz sind! –) läßt Nichts zu wünschen übrig. Dem Festessen in der naturwissenschaftl. Gesellschaft und bei Seebecks sind noch mehrere andere gefolgt. Ich habe noch niemals so viel Schmeichelhaftes gehört! ||

Die 1500 Thlr welche Carl zur Ausstattung braucht, werde ich baar mitbringen, da Giltsch sein hiesiges Capital zurückgezahlt hat.

Herzlichste Grüße an alle Lieben! Tante Bertha kommt wohl zu den Feiertagen c nach Potsdam?

Dein treuer Ernst.

a gestr: ich; b gestr.: I; c gestr.: ht

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.05.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39163
ID
39163