Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Jenbach, 7. September 1868

Jenbach am Achenufer | Montag 7 Sept. 68.

Liebe Eltern!

Ihr werdet vielleicht gleichzeitig mit diesen Zeilen einen Brief aus Bozen durch Agnes erhalten, in welchem ich euch meine weiteren Reisepläne nach dem Gardasee und Verona mittheilte. Durch diese Pläne hat eine starke Erkältung einen Querstrich gemacht, welche ich mir am Sonnabend bei der sehr kühlen Morgenfahrt in dem sumpfigen Etschthal von Meran nach Bozen zugezogen habe, übrigens ganz ohne meine Schuld! Ich bekam in der Nacht von Sonnabend zum Sonntag davon Fieber, sowie eine dicke Backe mit Schmerzen im linken Ohr. Sowohl Allmers als ich sahen die Nothwendigkeit ein, sogleich umzukehren, und so trennte ich mich denn gestern (Sonntag) Mittag in Bozen von Allmers, der nach dem Gardasee weiter reiste. Ich selbst fuhr über den Brenner hierher, wo ich gestern Abend um 7 U. ankam. In der Nacht habe ich tüchtig geschwitzt, und befinde mich heute viel besser. Die dicke Backe hat sich gelegt; doch ist mir immer noch etwas fiebrig und schwach zu Muthe.

Heute will ich zur Erholung ruhig hier bleiben. Ist morgen alles wieder gut, so bleibe || ich vielleicht ruhig hier noch ein paar Tage am Achensee liegen, um mich in der köstlichen Alpenluft hier zu erholen, die einen herrlichen Gegensatz zu der erstickenden trockenen Hitze von Bozen bildet. Bin ich dagegen morgen nicht vollkommen wohl, so fahre ich morgen früh von hier nach München, von dort mit dem Nachtschnellzug direct nach Eisenach, so daß ich Mittwoch Nachmittag zu Hause in Jena bin.

– So leid es mir einerseits thut, den schönen Gardasee und Verona nicht mit Allmers zusammen genossen zu haben, so habe ich doch andererseits auch große Sehnsucht nach Hause, und die beständige Sorge, daß das erwartete Ereigniß doch am Ende früher, als wie berechnet, eintreten könnte, läßt mich zu keinem ruhigen Reisegenuß mehr kommen.

– Jedenfalls bitte ich euch, nicht meinetwegen euch zu ängstigen. Es ist mir wirklich heute schon viel besser, während ich gestern sehr miserabel war. Hoffentlich ist alles in den nächsten Tagen vorbei. Ich werde euch in 2–3 Tagen wieder Nachricht geben.

Mit den herzlichsten Grüßen euer treuer Ernst.

Die etwa nach Riva gesandten Briefe wird Allmers von dort nach Jena schicken. Ist etwas Eiliges mitzutheilen, so könnt ihr noch Jenbach (Tyrol) post. rest. für alle Fälle schreiben.a

a Briefnachschrift auf dem linken Rand von S. 2 und S. 1: Die etwa … alle Fälle schreiben.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
07.09.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39079
ID
39079