Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 4. Mai 1884
Jena 4 Mai 84
Liebste Mutter!
Unsere gestrige große Feier zur Eröffnung der beiden neuen Institute ist glücklich vorüber und recht gut gelungen. Das Wetter war leidlich, windig, jedoch ohne Regen. Der Großherzog konnte leider nicht kommen. Dagegen kam das Ministerium aus Weimar und die Präsidenten der 4 Landtage. Der Garten, zwischen beiden Instituten war sehr hübsch geschmückt, mit Triumphbogen, Fichtenwald, Kränzen, Fahnen etc, ebenso unsre beiden Institute selbst. Um 12 Uhr fand die a Einweihung im Freien statt. Der Minister übergab die beiden Institute den b Prorector, dieser den beiden Directoren. Jede der || 4 Reden dauerte cc. 10 Minuten. Von 1-2 Uhr wurden beide Institute besichtigt, erst das physikalische dann das zoologische. Um 2 Uhr großes Festessen im Bären (cc. 60 Personen). Toaste: 1. Der Prorector auf den Großherzog 2. Der Minister Stichling auf die beiden Directoren. 3. Ich auf Jena und die freie Jenenser Wissenschaft. 4. Sohnke (mein physik. College) auf beide Baumeister. 5. Der Decan auf die Landtags Präsidenten. 6. Prof. Delbrück auf den Minister 7. Der Ober Baumeister auf mich. 8. Der Bezirks Director auf die beiden Frauen der Directoren. || Abends 8 Uhr großer Fest-Commers der Studenten im neuen Schützenhaus. Ich hielt eine längere humoristische Rede, die großen Jubel erregte und mir 3 verschiedene Toaste einbrachte. Um 11 Uhr todtmüde nach Hause. Ich bin sehr froh, daß ich Alles glücklich überstanden habe. Nun habe ich hoffentlich endlich lange Zeit Ruhe. Es gab in den letzten Wochen noch sehr Viel zu thun, und es war gut, daß ich nicht länger in Potsdam blieb. Die neue Einrichtung kostete noch sehr viel Arbeit. ||
Von Edinburgh bekam ich nachträglich noch einen großen silbernen Schlüssel geschickt, auf welchem eingravirt ist, daß ich daselbst am 15. April die neue Zoologische Station eröffnet habe. –
Hoffentlich ist Dein Catarrh wieder ganz verschwunden, liebste Mutter. Wir erwarten Dich in der Woche nach Pfingsten (etwa am 9. Juni) und hoffen, daß Du einen ganzen Monat bleibst! Die Pfingstwoche denke ich mit der ganzen Familie zu verreisen. Uns geht es recht gut sonst!
Mit herzl. Grüßen an Alle
Dein treuer Ernst.
a gestr.: Er; b gestr.: Pros