Haeckel, Ernst

Jena 18 Oct 71

Liebste Mutter!

Dein vorletzter, gestern erhaltener Brief hat sich mit dem meinigen gekreuzt. Eben habe ich nun Deinen letzten Brief von gestern erhalten und will ihn a sogleich beantworten. Ich bin sehr froh zu hören, daß Carl es besser geht und daß er eine Wohnung gefunden hat. Hoffentlich findet sich für Dich auch bald eine passende. Für Deinen Sommer- Aufenthalt bei uns in Jena wird sich immer leicht eine finden.

Das Kleid für Agnes betreffend, wünscht sie sich kein schwarzes, da sie ja schon drei schwarze (tübet und seiden) hat und jetzt trägt. Dagegen wäre ihr ein grau seidenes sehr angenehm. ||

Was den Wein betrifft, so müssen wir allerdings nothwendig welchen haben; da fast aller erfroren und ausgelaufen ist, haben wir nur noch ein Dutzend Flaschen, 5 weiße und 7 rothe. Ich denke es ist wohl am besten ein Anker (40 Flaschen?) rothen und ein Anker weißen Wein kommen zu lassen und ihn selbst abzuzapfen. Es wird am einfachsten sein, Du schickst mir die Adresse unseres alten Lieferanten (Richter?) und ich bestelle ihn dann selbst. Du mußt mir aber ungefähr Sorte und Preis angeben. Du schreibst mir wohl bald darüber, liebe Mutter, da es hohe Zeit ist. ||

Sehr gefreut habe ich mich, daß Du ein passendes Mädchen gefunden hast. Hoffentlich schlägt sie gut ein.

– Ich habe die eine Reise durch Norwegen (auf dem Bücherbrettchen am Pfeiler) von Forester dort gelassen. Wenn Du etwas lesen willst, liebste Mutter, versuche einmal diese Reise. Sie wird Dich interessiren, weil sie genau wie die meinige ist. –

Hat denn die Merkel und Karo Dir vielleicht geschrieben?

– Wir sind in Gedanken täglich viel bei Dir, liebste Mutter, und wünschen Dir von Herzen, daß Du die nächste schwere Zeit der Einsamkeit muthig überwindest.

Wie immer – Dein treuer alter Ernst

a gestr.: nun;

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
18.10.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38622
ID
38622