Ernst Haeckel an Bertha Sethe, Jena, 19. Oktober 1897
Jena 19.10.1898.
Liebste Tante Bertha!
Zu Deinem 86sten Geburtstage – welcher Zeitraum in diesem „großen Jahrhundert“! – sende ich Dir in bekannter Treue meine herzlichsten Glückwünsche; mit der Hoffnung, daß auch das neue Lebensjahr Dir die gewohnte erfreuliche Geistesfrische, ebenso eine möglichst ungetrübte körperliche Rüstigkeit bewahren möge! ||
Von uns kann ich Dir leider nicht viel Erfreuliches berichten: der hartnäckige Magencatarrh und die damit verknüpfte Nerven-Verstimmung hält bei Agnes immer noch an. Emma befindet sich auch in sehr trüber Stimmung.
Wir werden diesen Winter wieder – wie schon seit 3 Jahren – auf allen geselligen Verkehr verzichten müssen. ||
Ich habe glücklicher Weise viel Arbeit. Heute ist mein neuer Ritter-Professor hier eingetroffen; er war noch nie in Jena. Da giebt es viel zu besprechen und einzurichten.
Prof. Ziegler gefällt mir persönlich sehr gut und ist sehr tüchtig. – Leider ist unser Factotum, Pohle, seit mehreren Wochen krank, in Folge eines maltraetirten Hühnerauges; gestern ist ihm die kleine linke Zehe abgenommen worden! ||
Gestern erfreute uns der Besuch von Friedel, der heute Mittag nach München weiter gereist ist. Er hat sich recht nett entwickelt.
– Hans Meyer telegraphirte vorgestern aus Aden u. wird am 27. in Neapel sein. Er hat seine geographischen Zwecke auf dem Kilimandjaro glücklich gelöst. Lisbeth geht es gut.
– Agnes und Emma senden mit mir beste Glückwünsche!
Dein treuer alter Neffe
Ernst Haeckel.