Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Karl Haeckel, Jena, 21. Januar 1891

I

Jena 21/1 91

Lieber Bruder!

Nach langer Pause will ich Dir doch mal ein Lebenszeichen von uns geben. Im Ganzen geht es uns gut und haben wir den langen und sehr harten Winter bisher leidlich überstanden. Seit 7 Wochen haben wir ununterbrochen harten Frost (meistens 8 – 12° R. unter 0) und hohen Schnee, so daß von unseren armen Wald- und Feld-Thieren, Hasen, Vögeln etc eine Masse zu Grunde geht. ||

Die Geselligkeit ist diesen Winter sehr munter (für uns Beide Alten zu stark!) Lisbeth tanzte fast jede Woche und ist höchst fidel. Agnes geht es wechselnd. Ich stecke in Vorarbeiten für eine zweite, größere u. illustrirte Auflage der „Plankton-Studien“. Die kleine Schrift (innerhalb 4 Wochen verfaßt!) hat große Wirkung gehabt und mir eine Masse zustimmender Briefe (von Zoologen und Geographen) eingetragen. ||

II.

Geld-Angelegenh.

Wenn Du bald für mich wider Zinsen einnimmst, möchte ich Dich bitten, ein paar größere Rechnungen für mich zu bezahlen. Hast Du jetzt gleich für mich 300 Mk vorräthig, so bitte, schicke als bald an Herrn C. Otto, Buchhandlung, Paul Str 31, Erfurt 308 Mk 30 Pfg (Dreihundert und 8 Mk 30 Pg). Über einen größeren Posten (cc. 500 Mk) schreibe ich Dir in 8 – 14 Tagen. || Unsere Ausgaben sind diesen Winter sehr stark; Heitzung doppelt so viel, wie vorigen! Unten im Treppenhaus haben wir jetzt einen „ewigen“ American. Ofen (ähnlich Deinem) stehen; allerdings sehr angenehm! Die Wohlthätigkeit wird diesen Winter auch ungewöhnlich in Anspruch genommen. Für unsere armen Überschwemmten sind die Gaben übrigens sehr reichlich eingegangen, auch von auswärts! ||

III.

Von dem Medaillon-Relief, welches Prof. Kopf im vor. Sept. in Baden (in Profil) modellirt hat, und von dem ich Dir Photogramme schickte, habe ich jetzt 3 Bronze-Abgüsse erhalten. Ich schicke Dir davon 2 (als Frachtgut) in einigen Tagen, und bitte Dich, das eine für Dich zu behalten das zweite an Tante Bertha zu geben (letzteres mit der Bestimmung, daß es später Walter erhalten soll). Es wird hier als Kunstwerk sehr bewundert. − ||

Dein hübsches Geschenk, Hases’s Briefe aus Italien, lesen wir Abends mit großem Vergnügen, und ich danke Dir dafür ganz besonders! –

Heinz ist recht munter u. mit seiner Lehrthätigkeit zufrieden. Mit seinem Chef, Prof. Riedel, (der sonst ein recht wunderliches Kraut ist) kommt er gut aus. –

Walter scheint’s in München gut zu gehen; Sparsamkeit hat er aber bis jetzt, trotz aller Ermahnungen, nicht gelernt!

– Mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus

Dein treuer Bruder Ernst

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.01.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38065
ID
38065