Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Würzburg, 17.20. Februar 1856

Würzburg 17/2 56.

Liebste Eltern!

Vor Allem den herzlichsten, innigsten Dank für eure unschätzbare elterliche Liebe, welche ihr mir an meinem Geburtstage wieder durch so viele Zeichen und Worte der Liebe in so herzlicher und treuer Weise zu erkennen gegeben habt. Es ist mein sehnlichster Wunsch und wurde auch gestern von mir wieder zum festesten Vorsatz gekräftigt, mich dieser eurer köstlichen Elternliebe, welche mir doch immer das wertheste und zu jeder Zeit, unter allen Verhältnißen, das trostreichste und erfreuendste Gut ist, immer werther und würdiger zu machen, und euch, so viel in meinen Kräften steht, eure Güte und Treue durch ein kräftiges und beharrliches Streben nach dem Wahren und Guten möglichst dankbar zu vergelten. Wie innig habe ich gestern wieder Gott für die Segnung gedankt, daß er mir so gute, treue Eltern geschenkt, welche mich so ganz in meinem innersten Wesen erfassen und verstehen, wie das kein anderer Freund kann. Ja, dies innige, tiefe, gegenseitige Verständniß ist gewiß die köstlichste Frucht unseres trauten Familienlebens, dessen herrliche Segnungen ich täglich mehr einsehen und schätzen lerne, je mehr ich sehe, wie wenige meiner Altersgenossen dasselbe, auch nur in viel geringerem Grade, genießen, und wie es so vielen fast ganz abgeht. Wie köstlich wird das jetzt sein, wenn wir das alte, traute Zusammenleben, dem ein ganzes Jahr lang durch den Briefwechsel doch nur ein schwacher und ungenügender Ersatz gewährt war, so recht freudig und innig erneuern. Ich kann euch gar nicht sagen, wie ungeheuer ich mich darauf freue. Es ist jetzt wirklich mein stündlicher Gedanke und ich kann die Zeit kaum erwarten, wo ich wieder einmal meine ganze volle Seele euch ausplaudern und mein übervolles Herz ganz ausschütten kann. ||

Da nun diese köstliche Zeit so nahe bevorsteht, so seid ihr es wohl zufrieden, liebste Eltern, wenn ich euch von den vielen und mannichfaltigen Gedanken und Vorsätzen, Hoffnungen und Erinnerungen, die gestern meine Seele in tiefgefühlter, wunderbarer Weise bewegten, und mich zum innigsten Dank gegen Gott, zum vertrauensvollen Hinausblicken in meine dunkle Zukunft stimmten, jetzt nichts schreibe, da die todten Buchstaben doch nur matt und halbverständlich das ausdrücken was im menschlichen, persönlichen Verkehr ein Wort und ein Blick viel wahrer und vollständiger sagen. Nur das muß ich euch doch sagen, daß dieser Geburtstag zum erstenmal seit langer Zeit wieder ein Freudentag für mich war, ein Ruhepunkt in meinem Leben, in dem ich mit einiger Befriedigung auf den verflossenen Zeitabschnitt zurück, und mit froher Zuversicht auf den nächstfolgenden hinausblicken konnte. Wie unendlich fruchtbar und segensreich ist doch dies letzte Jahr für mich gewesen. Ich möchte es in der That in dieser Beziehung als das wichtigste meines ganzen bisherigen Lebens hinstellen. Abgesehen davon, daß es mir durch den Genuß der unaussprechlich herrlichen Alpenreise einen lange vergeblich ersehnten Lebenswunsch, zwar spät, aber nur umso reichlicher gewährte, hat es durch die medicinische Schule, welche ich hier im Laufe dieses ganzen Jahres in ihrem ganzen Umfange durchmachte, einen Einfluß auf meinen ganzen fernern Lebenslauf geäußert, dessen Tragweite ich jetzt euch noch nicht annähernd berechnen kann. Wenn ich bedenke, mit welchem Übermaaß von eigensinnigen Vorurtheilen und krankhaften Anschauungen ich Ostern 1855 hierher ging, und wie ich diese eine nach der andern habe abstreifen, und besonders in der letzten Zeit mich aus diesem düstern Nebel habe emporarbeiten lernen, so kann ich in der That kaum begreifen, wie ich mich so rasch und so vollständig habe umwandeln können. || Doch ich will euch lieber jetzt nicht so viel von meiner Metamorphose und Entpuppung vorschwatzen, da ihr sonst doch am Ende eine falsche Vorstellung von eurem neugebornen Jungen bekommt. Ihr sollt ihn selber sehn und dann urtheilen! Aber eine Art Wiedergeburt ist es in der That und ich glaube damit nicht einen geringen Schritt vorwärts gethan zu haben. Wie unendlichen Dank bin ich Dir jetzt schuldig, mein gütiger, liebevoller Vater, daß Du mich widera meinen Willen gezwungen hast, das Studium der Medicin ex fundamento und bis zu Ende fortzutreiben. Welche außerordentlichen Vortheile habe ich dadurch errungen. Ich glaube, es giebt in der That keine bessere und gründlichere Schule, um alle die zahllosen angeerbten und anerzognen Vorurtheile abstreifen und eine wahre und nackte Anschauung der Dinge, wie sie sich nun einmal im realen Leben gestalten, gewinnen zu lernen, als das Studium der Medicin, welches, wie Virchow richtig sagt, eigentlich das Studium des Menschen, die Anthropologie im weitesten Sinne des Worts, in leiblicher und geistiger Beziehung ist. Wie hat mir in dieser Beziehung die poliklinische Praxis, so unbedeutend sie in wissenschaftlicher Beziehung an sich war, die Augen geöffnet! Und welchen ruhigen Blick gewährt mir diese Erkenntniß jetzt für die Zukunft! Wenngleich das naturwissenschaftliche, theoretische Studium des normalen Lebens, der pflanzlichen und thierischen Wunderwelt, immer meine Lieblingsbeschäftigung und das Hauptziel meines Studiums sein würdet [!], so könnte ich mich doch jetzt ohne viele Umstände ganz gut darein finden, auch als praktischer Arzt zu fungiren, was ich noch vor einem Jahre für rein unmöglich gehalten hätte. Und nach dem Lebensplan, wie er jetzt vor mir liegt, werde ich mich wohl bald genug darein finden müssen. Ich möchte fast sagen, daß ich durch das Studium der Krankheit erst recht gesund geworden wäre. Wenigstens ist die Verfassung, in der ich mich jetzt, und zwar constant, befinde, ein entschiedener Zustand von (freilich relativer!) Gesundheit, || gegenüber jenen hysterisch-sentimentalen Simpeleien, durch die ich in den 7 frühern Semestern mir und andern das Leben verbitterte. Ich glaube, dieser glückliche Fortschritt zeigt sich schon allein darin, daß ich seit Antritt meiner herrlichen Alpenreise, auch nicht einmal wieder einen sogenannten „moralischen Katzenjammer“ gehabt habe, welcher vorher, wie ihr wißt, zu den constanten und nothwendigen Ereignissen fast jeder Woche, bei mir gehörte. Und frage ich, was denn nun eigentlich diese glückliche Sinnesänderung hervorgerufen, so komme ich immer wieder auf die Medicin zurück in deren Studium [ich] mich dieses Jahr bis über die Ohren hineingestürzt hab. Vor allem ist esb da aber wieder der geniale Virchow dem ich den größten Dank schuldig bin. Er hat durch seine, in der That einzig wahre und richtige Methode, mir einen Geschmack an der Medicin, d.h. eben am Studium des kranken Menschen, abgewonnen, die ohne diese seine naturwissenschaftliche Behandlung in Wahrheit derselbe alte Rumpelkasten von unbegründeten Theorien und rohem Empirismus geblieben wäre, der sie so lange bis jetzt war. Ich kann euch gar nicht sagen, welchen außerordentlichen Aufschwung welchen hohen Grad nicht nur speciell medicinischer Bildung ich Virchow verdanke. Wäret ihr jetzt nicht in Berlin, so würde ich mich keinen Augenblick bedenken, noch ein Jahr hier zu bleiben, indem nämlich jetzt grade die Assistentenstelle bei Virchow frei wird. Ich würde sie gewiß ohne Mühe erhalten und könnte dann ganz ex fundamento mich mit allen Einzelnheiten der speciellen pathologischen Anatomie vertraut machen, über die ich so doch nur einen Überblick gewonnen und zu der ich den Eingang gefunden habe. Doch wer weiß wozu es gut ist, daß ich mich jetzt einmal wieder zu andern Gegenständen hinwende und cin einer andern Sphäre bewegen lerne. ||

Würzburg 20/2 56.

Mit Schrecken sehe ich, daß der Brief schon 3 Tage liegt. Ihr werdet gewiß schon recht sehnlich auf Antwort warten. Ich wollte aber gerne zugleich auch die andern Geburtstagsbriefe wenigstens kurz beantworten und so ist das Abschicken bis heute verzögert. Um so kürzer will ich mich nun zum Schluß fassen, daß der Brief nun endlich fortkommt. Ich werde also Freitag (7/3) (spätestens 8/3) mit Beckmann von hier fortfahren. Letzterer wird gleich durchfahren, und nicht bei uns, sondern bei Hein, der dies sehnlichst wünscht, logiren, was allerdings in vieler Beziehung, namentlich wegen der weiten Entfernung unsrer Wohnung, auch viel angenehmer für ihn ist. Ich werde mich unterwegs noch mehrere Tage aufhalten, um in Leipzig und Halle mehrere Bekannte aufzusuchen. In Leipzig will ich außerdem mehrere kostbare medicinische Werke antiquarisch zu bekommen suchen. In Halle werde ich Burmeister und Max Schultze (respektive das zoologische und anatomische) Museum besuchen, und mir von Onkel Steinsack meine Crustaceen (Krabben-) Sammlung mitnehmen. Meine Sachen werde ich schon Ende Februar von hier fortschicken. Ich brauche eine ganze Kiste bloß für das gesammelte Heu! Ich selbst denke am 12ten (oder 13ten) März ungefähr in Berlin einzutreffen. –

Falls detwas dazwischen kommen sollte, oder ich früher oder später als am 12/3 in Berlin eintreffen würde, so schreibe ich euch noch einmal vorher. Sonst bleibt es dabei, die Collegien hören hier zwar erste am 15/3 auf. Ich bin aber schon jetzt so ungeduldig, als wäre ich auf die Folter gespannt, und f kann es kaum mehr die 3 Wochen hier aushalten. – ||

Von meinem hiesigen Leben in den letzten Wochen kann ich euch nur wenig Erwähnenswerthes mittheilen. Meinen Geburtstag haben wir 5, d.h. die 4 nähern Bekannten, mit denen ich meist zusammen bin (der kleine, liebenswürdige Beckmann, Strube (der in 8 Tagen abreist) Boner (ein netter, alter, uns schon früher befreundeter Schweizer) und endlich der unleidliche Dr. Buchheister aus Hamburg, mir einer der schrecklichsten Menschen (wie ich ihm!) in Wein gefeiert. Dazu kam als 6ter noch der jetzige Assistent Virchows, Dr. Grohé aus Speyer, ein recht netter Kerl. Im Ganzen waren wir recht munter und vergnügt. –

In meiner poliklinischen Praxis habe ich jetzt die remarkabelste alte Hexe bekommen, die man sich denken kann. Ich dachte wirklich, ich fände die „Alte mit der Spindel“ aus dem Mährchen „Dornröschen“. Über verschiedene Leitern und durch einige alte Gänge mußte ich auf einer alten verfallenen, fast im Zusammensturz begriffnen Treppe unter das niedere Dach eines alten thurmartigen Wachthauses hinaufklettern, wo ich in einem ganz elenden, dicht von Spinnweben umschleierten Kämmerchen, das wohl jahrelang nicht gereinigt sein mochte, dessen Fensterlucken mit Papier verklebt waren, vor einem Spinnrade ein uraltes, eisgraues Weib sitzen sah, mit quittengelbem Gesicht und bis zum Skelett ausgedörrt. Obwohl schon ziemlich an dergleichen Schauerscenen gewöhnt, fuhr [mir] doch unwillkührlich eine gelinde Gänsehaut über den Leib und es dauerte einige Minuten, ehe ich die übliche Doctorconversation mit ihr beginnen konnteg, wodurch ich erfuhr, daß sie schon 7 Jahr, von Gicht und Alter lahm, so hier sitze, und ganz allein sei. Nur Mittags und Abends bringe ihr eine Nichte etwas Essen herauf! –

Auch sonst bin ich jetzt mit alten Weibern gesegnet. Eines schönes Tags bekam ich 2 Stück auf einmal, eine immer häßlicher, als die andere. Doch hatte die Eine von ihnen eine recht hübsche Pflegetochter. ||

Vorige Woche bekam ich im Mainviertel (drüben über dem Main, dem wahren Sitz des Elends und Jammers) in einem Loche ein Nest von ½ Dutzend Pflegekindern, die elendesten Würmer, die man sich denken kann, meist rhachitisch oder skrophulös, mit Augenleiden etc. Im Ganzen geht mirs aber doch mit der Poliklinik recht sonderbar. Bis jetzt ist mir noch nicht ein einziger Patient (trotzdem ich ein paar recht schwere Fälle gehabt) gestorben, während einem Bekannten unter 13 Patienten 10 gestorben sind! Meine Commilitonen beneiden mich darum, während es mir sehr leid thut, da ich auf diese Weise zu gar keiner Section komme, welche mir bei allen Kranken das Wichtigste, ja eigentlich das einzig Interessante ist. Um mich einigermaßen für dies Pech, das die Andern Glück nennen, zu entschädigen, hat mich Professor Rinecker am Sonntag ganz allein eine Sektion von A–Z aus seiner Privatpraxis (ein 5jähriges Mädchen mit Meningitis tuberculosa, sehr schöner und ausgeprägter Fall!) machen lassen, bei welcher ich denn das bei Virchow Erlernte so trefflich verwerthete, daß mich der Herr Professor wiederholt sehr schmeichelhaft, sogar gegen Virchow, lobte. Ich bin aber in der That jetzt auf Nichts so, wie auf Sectionen versessen. Ich laufe gleich ein paar Stunden um eine Einzige, just so wie früher um eine seltne Pflanze! – Tempora mutantur, et nos mutamur in illis! –

Die Aussicht, ganz selbstständig recht viel Sectionen zu machen, ist auch für mich das einzig Anziehende, was mich zur ärztlichen Praxis bringen könnte. Auch eine Prosectur denke ich mir jetzt ganz herrlich, z. B. die an der Charité, von der heute das Gerücht (?) ging, daß sie Virchow mit einer neu zu errichtenden Professur für pathologische Anatomie übertragen werden sollte. Das wäre ganz herrlich! Aber es wird wohl bloß 1 Ente sein! ||

– Einen Hauptspaß, der mir jetzt passirt ist, muß ich euch aber doch noch mittheilen, obwohl er noch nicht zu Ende ist. –

Anfangs dieses Semesters machte mir Virchow den ehrenvollen Antrag, auserwählte Vorträge aus seinem demonstrativen Cursus (der pathologischen Anatomie und Histologie), besonders über seltene Fälle und weniger bekannte Gegenstände, auszuarbeiten, und nach Wien an die „Wiener Medicinische Wochenschrift“ zu schicken, deren Redakteur, Dr. Wittelshoefer, ihn um öftere Einsendungen ersucht habe. Obgleich ich verschiedene Einwendungen (über Nichtfähigkeit, Zeitmangel etc) dagegen machte und dadurch ihm auszuweichen suchte, so drang er doch so in mich, daß ich mich ernstlich entschloß die Sache zu versuchen. Es kamen auch bald 2 sehr merkwürdige Fälle von Typhus (Nervenfieber) welche sich vortrefflich dazu eigneten und bei deren Gelegenheit Virchow einen klassischen Vortrag über „die Beziehungen des Typhus zur Tuberkulose“ hielt. Diesen arbeitete ich also aus und schickte ihn nach Wien. Er erscheint in den beiden ersten Nummern dieses Jahrgangs (1856) der Wiener Medicinischen Wochenschrift. Darauf erscheint – doch ich will hierüber meinen Redacteur selber reden lassen, der in einer Anmerkung zu dem einige Wochen später in No: 7 erschienenen zweiten Aufsatz „über Fibroid des Uterus“ folgende Anmerkung macht: – „Wir müssen wiederholt bemerken, daß die unter obiger Aufschrift („Aus dem pathologisch=anatomischen Curse des Professor Virchow in Würzburg“) erscheinenden Artikel mit Zustimmung und unter Überwachung des Herrn Professor Virchow gearbeitet werden, und daß sie theils selten interessante Fälle, theils solche Kapitel enthalten, die der berühmte Professor nicht veröffentlichte. – || Wir haben eine gleiche Erklärung bereits vor 14 Tagen in der Voraussicht abgegeben, daß die niedrige Gehässigkeit der Czechen-Clique der sogenannten „Wiener Schule“ mit ihrem Schweifanhange gegen uns mit der bekannten, ordinären Verdächtigung hervortreten werde; – unsere Erklärung wurde nicht beachtet. Hr. Heschl in Krakau, als Famulus der östereichischen Czechen-Clique, übernahm es, in einem mit angemahnten Cynismus ausgestatteten Schreiben an Herrn Haeckel, der in unseren Aufsätzen ausgesprochenen Ansicht Virchows in der „Zeitschrift für praktische Heilkunde“ entgegenzutreten. Über den fachlichen Inhalt jenes Artikels abzuurtheilen kömmt uns nicht zu, der Angegriffene selbst wird wissen sein Recht zu wahren. Die perfide Verdächtigung aber, die dabei uns treffen sollte, müssen wir selbst beleuchten etc etc“ –

Dies ist der kurze Sachverhalt! Virchow hat nun inzwischen eine Entgegnung gegen meine Angreifer geschrieben, welche wahrscheinlich in der nächsten Nummer zugleich mit meinem dritten Aufsatz über „Ovarien-Zystoide“ – erscheinen wird. Außerdem hat er es mir überlassen, mich noch speciell selbst zu vertheidigen, wozu ich natürlich nicht die mindeste Lust habe, da ich doch noch ein gar zu junger Rekrut bin! Wie süß aber, für Virchow angegriffen zu werden!! –

Ich würde euch die ganze Geschichte schon längst einmal geschrieben haben, hoffte aber immer, ich würde endlich die versprochnen Frei-exemplare der Aufsätze, oder das Honorar für das ich euch ein kleines Geschenk kaufen und so euch recht überraschen wollte, erhalten. Allein bis heute ist weder das Eine noch das andre erschienen, und ich habe euch daher wenigstens diese Hauptzüge des Spektakels mitgetheilt. Vielleicht habt ihr schon durch Quinke etwas davon gehört. ||

– Nun also seid zum letzten Male von Würzburg aus begrüßt, liebste Eltern! Wie ungeheuer freue ich mich, nun schon so bald euch wieder zu sehen. Ich kann wirklich die Zeit kaum erwarten! Noch nie meine ich mich so ungeheuer auf die Heimkehr gefreut zu haben. –

Für die schönen Geburtstagsgeschenke habt nochmals den allerherzlichsten Dank. Ganz besonders habt Ihr mich durch Virchows gesammelte Abhandlungen beglückt, die ich jetzt mit wahrem Entzücken lese. So ist z. B. gleich die erste, "Die Einheitsbestrebungen in der wissenschaftlichen Medicin", ganz köstlich und ich habe mich gar nicht satt daran gelesen. –

Dir, liebstes Mutterchen, ist mein Gaumen und Magen noch zu ganz besondrem Dank verpflichtet. Du willst ihn wohl, eh er nach Hause kommt, noch ganz verwöhnen! So reichlich und üppig hast du die Speisekammer Deines Leckermauls versorgt. Es schmeckt mir aber ganz vortrefflich! –

Es kam mir Alles um so überraschender, als ich wirklich nicht gedacht hatte, daß ihr bei meiner so nahe bevorstehenden Abreise noch etwas herschicken würdet. Doch hat es mich darum um so mehr erfreut, und ich sage euch nochmals den besten Dank für Alle eure Liebe. –

Nun also das letzte, frohe Ade! Heute über 3 Wochen bin ich bei euch!! Hurrah!!! Euer glücklicher, alter, 22jähriger Junge

Ernst H.

Dr. med. et chir.

nec non art. obstetric.

„Arzt, Chirurgus und für Kinder,

auch beeidigter Entbinder“

(Prager Doctorlied)

a korr. aus: wieder; b eingef.: es; c gestr.: zu; d gestr.: ich; e gestr.: schon; eingef.: erst; f gestr.: es; g gestr.: sollte; eingef.: konnte

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
20.02.1856
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 37513
ID
37513