Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, [Würzburg, 12. November 1853]

Liebste Mutter!

Diesmal sende ich Dir nur einen herzlichen, innigen Kindesgruß mit, da ich Alles, was [ich] Dir sonst noch mitzutheilen hätte, bereits an das hochedle Kreisrichterpaar geschrieben habe, deren Brief auch für Dich mit bestimmt ist. Nur noch den herzlichsten Dank für eure lieben Briefe, die mich sehr erfreut haben. Derjenige des lieben Alten ist zwar ganz erschrecklich politisch und klingt eher wie ein religiös politischer Leitartikel oder eine Zeitpredigt, hat mir aber docha viel Freude gemacht. Da er jetzt den Gervinus (Literaturgeschichte) liest, so sollte er eigentlich gleichzeitig als Gegenstück die vom ganz entgegengesetzten Standpunkt geschriebene Literatur Geschichte von Vilmar lesen. Ich glaube, sie steht || in meinem gläsernen Bücherschränkchen. Schreibe ihm das doch und schicke ihm b dabei die schönsten Grüße von mir. Dein Vorschlag, meine Briefe, so lange Du in Ziegenrück bist, indirect, über Ziegenrück nach Berlin gehen zu lassen, ist mir ganz recht. Ich schreibe also jetzt nicht mehr direct an den lieben Alten. ─

Was macht denn Deine Gesundheit, mein liebstes Mütterchen? Du bist doch hoffentlich von Deinem bösen Fall ganz wieder gesund? Schreib mir doch, wie es Dir geht? ─

Das Wetter ist heue Abend so schauerlich, daß ich Dich recht bedaure, da Du gewiß grade, während ich dies schreibe, eine unangenehme Nachttour machst. Mir geht es so so, la la! Wegen meiner Verpflegung sei ganz ruhig. Ich esse jetzt auf allgemeines Verlangen auf der Harmonie und lasse mir das theure Essen nach meiner „Schindungstheorie“ aufs trefflichste munden! In meiner neuen Stube sitze ich sehr warm und nett!! ─

Nochmals die innigsten Grüße und Küsse von Deinem treuen

Ernst.

a eingef.: doch; b gestr.: daher

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.11.1853
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 37463
ID
37463