Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 11./12. Mai 1878

Potsdam 11/5 78.

Liebe Agnes!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Es ist mir eine große Beruhigung, daß Du mir schreibst, Du fändest: Ernst habe sich seit er zu Hause sei erholt: Gebe Gott, daß er bald alle nachteilige Folgen der Reise überwunden hat; all seinen Briefen, die ja gar nicht so waren, wie sonst von seinen Reisen, sah man es an, daß er sich unbehaglich fühle. Nun das ist für ihn eine neue Erfahrung gewesen. ||

Auf Euer Herkommen freue ich mich sehr, und bitte nur dringend, daß Ihr so bald Ihr könnt kommt und so lange als möglich bleibt. Habe ich Euch doch so lange nicht gesehn, und sehne mich sehr darnach. Freilich hätte ich Euch am liebsten alle bei mir, weil ich finde man genießt sich am meisten, wenn man zusammen wohnt; nun meinte aber Karl als er heute früh mich besuchte,: || er und Ernst litten nicht, daß alle bei mir wären, es könnte ja getheilt werden: Ernst mit Walter bei einem von uns, und Du mit den beiden Mädels beim andern. Wenn ich das nicht wollte, so schriebe er Ernst, daß Ihr gar nicht kommen solltet. Wenn nun meine gestrengen Herrn Söhne beide dieser Ansicht sind, so muß sich die unterdrückte Mutter wohl darin finden, und dann bitte ich es mir aus, daß || meine liebe Schwiegertochter mit ihren beiden Töchterchen bei mir wohnen, die habe ich am längsten nicht gesehn; und Ernst kommt ehe mal auf ein paar Tage zu mir, der weibliche Theil meiner lieben Jenenser läßt sich so selten sehn, da will ich sie bei mir haben. – Uebrigens ist das Hauswesen bei Karl wieder in Ordnung, sie haben zur Köchin die bei Siegfied gewesene Amme genommen und es geht gut. ||

12/5

Gestern Abend konnt ich nicht mehr schreiben, und so will ich heute noch einen Sonntagsgruß zusetzen; und noch Dich, liebe Agnes, bitten mir zu schreiben: wann Ihr kommt, sobald Ihr es bestimmen könnt, und wie Ihr es einrichten wollt; Karl wird wohl Ernst schreiben, daß Ihr alle bei ihm wohnen sollt, aber das bitte ich mir dringend aus, wenn ich Euch nicht alle haben soll, daß ich wenigstens Dich mit den Töchterchen || bekomme. Auch bitte ich Dich mir zu schreiben ob Ihr Charlotte die natürlich bei mir wohnen wird,a mitbringen wollt; mir ist es recht wie Ihr es einrichtet und wie es Euch am liebsten ist; mit oder ohne Charlotte, ich freue mich sehr über Euer kommen.

Ernst bitte ich noch dringend mir zu schreiben oder wann er keine Zeit hat, durch Dich, liebe Agnes, wissen zu lassen: wann er das Geld zu der Hypotek braucht, || ich muß es hier bei der Creditbank vier Wochen vorher kündigen, also bitte ich dringend mir zu schreiben wann ich das Geld von hier schicken soll? –

Deine liebe Mutter bitte ich herzlich von mir zu grüssen; hoffentlich geht es ihr besser, wenn wärmere Sommertage kommen. Ernst, Dir und den Kindern die herzlichsten Grüsse von

Deiner

alten Mutter

Lotte Häckel.

a Text weiter auf S. 6: die natürlich bei mir wohnen wird,

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.05.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36780
ID
36780