Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 5. – 7. November 1876

Potsdam 5/11 76

Lieber Ernst!

Was soll ich mit der Weste machen, die Du mit dem Bilde nach Berlin geschickt hast? Diese große wichtige Frage, die bis jetzt von Euch nicht beantwortet ist, giebt mir die angenehme Veranlassung ein wenig mit Dir zu plaudern. Hoffentlich bekommst Du darüber keinen Schreck, und ich gebe Dir in voraus die Versicherung, daß ich Dich nicht zu lange stören will, wenn Du etwaa in der interessanten Unterhaltung mit Correkturbogen etc. bist. – ||

Bis jetzt habe ich von Leipzig kein Geld erhalten, so bald es kommt, werde ich es anlegen, und wenn Du mir nichts näheres angiebst, mit Herrn Joachim berathen, was man am Beßten kauft. –

Agnes bitte ich, daß sie mir jetzt, so bald sie kann, die Kiste mit den Pflaumen per Fracht schickt, den Schlüssel dazu hat sie aufgehoben. – – –

Clara liegt noch immer zu Bette, heute Nachmittag besuchte mich Karl, der sehr froh war daß sie mal natürlichen || Schlaf hatte, da sie sonst immer hatte einnehmen müssen, um zu schlaffen, weil sonst die Gesichtschmerzen sie nicht ruhen liessen. Hoffentlich wird es bald besser. Karl hat von Heinrich aus Leipzig gute Nachricht, er ist sehr befriedigt; auch sehr freundlich von Windscheid und Hirzels aufgenommen. Bei letztern hat er beim Mittagessen die Bekanntschaft eines medecinischen Studenten gemacht, der ihm sehr gefallen hat, und mit dem er öfter verkehrt. ||

Dienstag

Gestern Abend kam ich mit meinem schönen Geschreibsel nicht zu Ende, und ich will nur noch von heute berichten: es scheint doch Clara besser zu gehn, denn wie Georg mir heute sagte, hat sie gestern Nachmittag etwas auf sein können. Heute früh bekam ich eine Karte von Bertha, die schrieb mir nach einem Brief von Frau Quincke schien es mit ihm doch noch immer nicht schön zu gehn: auch hatte Frau Quincke geschrieben, daß sie öfter Heinnrich Sethe mit der Frau sähe, || letztere mache sich Sorge wegen ihren Mann, und wohl nicht mit Unrecht, wie Frau Quincke hinzusetzt. So giebt es überall viel Schmerz. – –

Von Bertha Petersen schreibt sie nichts, sie muß also wohl neuerdings nichts erfahren haben. –

Karl Häcke, der ehemalige Diener meines Vaters, ist nach langer schwerer Krankheit gestorben, und am vorigen Donnerstag begraben. –

Tante Bertha schreibt mir unterandern, sie sei vorigen Sonntag Abend bei Georg Reimer gewesen, hätte aber alle am || Kartar leident gefunden. Kein Wunder bei dem Wetter, heute hat es den ganzen Tag geschneit, ist aber schon sehr panschich. Das hat mich auch bestimmt heute Abend nicht den Vortrag zu hören, wozu ich Billets genommen, ich wagte es aber nicht, da ich noch sehr wüst im Kopf bin, und der Fuß auch noch nicht ganz gut, da war ich bange durch das Schneefasser könnte eine Erkältung dazu kommen. ||

Nimm Du Dich mit Deinem ganzen Hause nur recht in Acht; meine lieben Jenenser neigen so so leicht zum Cartar. Doch sehe ich Dich schon nach Deinem Corekturbogen sehnsüchtig schielen, und da muß ich Dir wohl Lebewohl sagen.

Grüsse Deine liebe Frau und die Kinder herzlich von mir und sage ihnen die alte Großmutter wäre mit ihren Gedanken und Wünsche täglich bei ihnen, aber da sie nie mehr nach || Jena kommen könne, rechne sie bestimmt auf baldigen Besuch in Potsdam.

Gott befohlen, mein lieber Herzens Ernst, behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte.

a korr. aus: etwas

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.11.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36717
ID
36717