Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 7. September 1876

Potsdam 7/9 76.

Lieber Herzens Sohn!

Diese Zeilen sollen Dich in Glasgow begrüssen, wo Du hoffentlich glücklich angekommen bist und Dich so wohl befindest, wie es Deine alte Mutter wünscht: Die letzte Zeit in Jena war für Dich so sorgenvoll und aufregend, daß Dir eine Erfrischung und Erheiterung Noth thut, und ich freue mich deshalb, daß Du die Reise unternommen hast. Gott behüte Dich! || Vor allem nimm noch meinen herzlichen Dank für alle Liebe, die Du mir wieder in Deinem Hause erwiesen, eben so für die Karte, die Du mir aus Hamburg geschickt, und wodurch die bange Sorge von mir genommen, denn da wir grade den Freitag, wo Du die Seereise antreten wolltest, hier heftiges Gewitter mit starken Sturm hatten, so hatte ich Tag und Nacht keine Ruhe, bis ich Sonnabend durch Deine Karte erfuhr, daß Du Deinen Reiseplan geändert habest. Möchten wir nur bald Gutes von Dir hören. ||

Heute habe ich einen lieben Brief von Deiner Frau bekommen, die mir schreibt, daß es ihr und den Kindern gut geht, und sie die von Dir so sehnlich erwarttete Nachricht nach Empfang gleich mittheilen würde. – In Magdeburg ging es mir nicht schön; ich mußte durch den abscheulichen Tunnel viel Trepp auf und ab klettern bis es mir durch Geld und gute Worte endlich gelang ein Fahrbillet und Packträger für Koffer zu bekommen. – Doch wollen wir das lassen, ich bin glücklich hier angekommen von Hermann an der Bahn empfangen und in meine Wohnung geleitet, die ich || nun freilich noch nicht verlassen habe. Sonntag Abend kam Karl mit seiner Frau zurück, die mir natürlich Montag früh gleich Epmeier schickten. Im Ganzen geht es mir etwas besser und Du brauchst Dich um Deine Alte nicht zu kümmern. Vorgestern war Bertha hier. wir sind alle sehr betrübt durch Quinkes erkranken, Bertha hatte ihn am Mittwoch Abend noch ganz wohl gesehn, als sie von der Frau benachrichtigt wurde: er habe Donnerstag früh einen Gehirnkrampf bekommen, der sich 7 mal wiederholt hat. Donnerstag und Freitag ist er meist ohne Besinnung gewesen. Sonnabend ging es etwas besser. Bertha ist die || ersten Tage bei der Frau gewesen bis die Söhne Georg und Heinrich, die Thelegraphisch benachrichtigt waren, angekommen sind. Georg war in England auf der Reise nach Glasgow; Heinrich mit der Frau in Helgoland.a –Das ist mal wieder ein Fall, wo man nicht weiß, was zu wünschen ist, und es nur heißt: Gott wird es wohl machen. Das Leben bringt schon so viel Schmerz und Leid, daß sich die Menschen hüten müssen nicht sie schmerzlich berührende Kleinigkeiten zu schwer zu nehmen. –

Von Bertha bekam ich früh eine Karte, worin sie mir meldet, daß sie auf einen von Clara Petersen erhaltenen Brief am Sonnabend nach Ziesenort [!] || reisen wirdb. –

Karl grüßt Dich herzlich, und meint Du solltest doch auf Deiner Rückreise aus Schottland nach Potsdam kommen, bei solcher Reise komme es ja auf einen kleinen Umweg gar nicht an, und wenn Du nur einen Tag hiersein könntest, er habe Dich nothwendig zu sprechen, und habe auch deshalb hauptsächlich mich in Jena abholen wollen, die Karte worin er sich || mit Clara angemeldet, ist nach unserer Abreise angekommen, auf die Benachrichtigung, sind sie nicht nach Jena gereist. –

Wie sehr ich mich freuen würde Dich hier zu sehn, das, mein Herzens Ernst, bedarf keiner Erwähnung, warst Du doch durch Geschäfte etc. so in Anspruch genommen, daß es zu keiner Mittheilung kommen konnte. Und macht es sich nicht auf der Reise, daß Du zuerst zu Frau und Kinder willst, so bleibt || Dir von den Ferien vielleicht noch ein paar Tage übrig, die Du Deiner alten Mutter schenken kannst. –

Für heute sagt Dir herzlich Lebewohl

Deine

alte Mutter

Charlotte Häckel

geb. Sethe.

Unbekannterweise empfiel mich Deinen Gastfreunden.

a Text weiter am unteren Rand von S. 8: Georg war … in Helgoland. –; b korr. aus: würde

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.09.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36707
ID
36707