Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 22./23. Dezember 1875

Potsdam 22/12 75.

Lieber Ernst!

Obgleich es schon 10 Uhr durch ist, so muß ich doch noch mit ein paar Wortten Dir sagen, daß ich heute eine große Weihnachtsfreude gehabt, als der Postbothe mir aus Berlin ein Packet brachte, und ich darin von meinem lieben Herzens Sohn das Buch fand. Hab innigen Dank für diese Freude. Georg Reimer schickt mir zwei Exemplare, eins für mich und eins für Karl. Muß ich ihm danken, so schreib es mir, ich || dächte es wäre nicht nöthig, es ist kein Schreiben dabei, und auf dem Buche ist geschrieben: vom Verfasser, also habe ich doch nur Dir zu danken, was hiermit auf’s Innigste geschieht. Karl werde ich seins erst Heiligabend geben oder mit aufbauen. Ich konnte aber nicht wartten ich habe meins gleich ganz durchgelesen, und mit viel Befriedigung; nur nicht die wissenschaftlichen Erklärungen || hinten, ich denke das verstehe ich nicht. – Doch nun Gute Nacht. Gott behüte Dich und Dein Haus. –

Donnerstag.

Du solltest doch noch von mir einen besonderen Festgruß bekommen; aber ich konnte heute nicht schreiben, mein Kopf war zu dumm. Jetzt Abends ist es etwas besser. Hoffentlich höre ich bald von Euch Gutes und wie Ihr den Feiertag verlebt habt. – – Mir wird es recht schwer, daß Ihr diesmal von mir nicht zum Feste so beschenkt werdet, wie ich es wohl möchte; ich habe mich mit allen einrichten müssen; mein Trost ist nur, daß ja die Liebe die Hauptsache ist; die ich ja auch in diesem Augenblick, wie ich dies schreibe || wieder von Dir erfahre, denn eben erhalte ich Dein Packet aus Jena, tausend Dank für all Deine Liebe.

Aus diesen Zeilen siehst Du aber, daß ich schon gestern die beiden Exemplare aus Berlin erhalten habe, ich werde also dies sehr sorgfältig aufheben. Nun schickst Du aber noch die Rheinfahrt, das mußt Du aber wieder nehmen, wenn ich es gelesen habe. Du machst es zu arg.– So leid es mir auch ist, daß Du nicht kommen kannst, so finde ich es doch in der Ordnung, überarbeite Dich nur nicht zu sehr. Gestehn will ich Dir wohl, daß ich im || Stillen die Hoffnung hägte Du würdest vielleicht her kommen können; aber nun ist es ja so besser: Du könntest Dich bei dem wechselnden Wetter erkälten, und die Reise ist zu weit auf wenige Tage. Ostern fällt spät, vielleicht kann dann Agnes mit den Kindern Dich begleiten? Recht erfreut mich, daß Walter mir einen Weihnachtswunsch geschrieben hat; sage ihm vorläufig meinen herzlichen Dank. Nächstens werde ich ihm schreiben, heute kann ich nicht, denn wenn ich an solchen gelehrten Schüler schreibe, muß die Hand nicht so zittern. Vorgestern hatte ich einen sehr lieben Brief von Julchen von Unzer, die mir || etwas für ihren Pathen Heinnrich schickt. Doch später darüber mündlich mehr; ich werde den Brief aufheben, und Dir mittheilen. –

Heute bekam ich von Frau Lampert, die gewöhnlich Mohnsemmel; gerne schicke ich Dir davon ein kleines Stückchen, aber ich weiß nicht, ob Du sie gerne ißt; wenn dies der Fall ist, so schreibe mir bloß auf einer Corespondenzkarte, daß ich es schicken soll; aber gleich. Durch all dieses habe ich in den letzten Tagen viel in der Erinnerung gelebt; was mir ja lieb ist, aber ich fühle mich auch sehr schwach, daher kann ich nicht mehr heute schreiben. Sei mit Frau u. Kindera auf’s innigste gegrüßt von Deiner

alten Mutter Lotte.

a eingef.: u. Kinder

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.12.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36670
ID
36670