Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 29. November 1875

Potsdam 29/11 75.

Liebe Agnes!

Wohl hatte ich schon lange herzliches Verlangen, von dem Ergehn meiner Lieben in Jena zu hören, und wurde daher heute durch Deinen lieben Brief hoch erfreut, da er mit ja, Gott sei Dank! Gutes von meinen lieben Kindern berichtet, vorzüglich, daß Ihr gesund seit und es Euch gut geht, und dann macht es mir viel Freude, daß Du mir etwas von Euerem Leben mittheilst, interessiert mich doch alles von Euch, sei es auch noch so klein, das versetzt mich dann immer zu || Euch, und ich durchlebe im Geist alles mit Euch.

So freut es mich auch, daß Ihr zwei mal Gesellschaft bei Euch gesehn habt; ich wünsche für Euch beide recht, daß Ihr einen recht passenden Umgangskreis hättet, der Euch zusagt. Wie ist es denn nun, meine liebe Agnes, mit Deiner Gesangstunde oder Uebungsstunde geworden, der gute Vorsatzt, den Du den Sommer hattest, zum Winter wöchentlich eine Stunde bei Herrn Neumann zu nehmen, ist doch nicht wieder eingeschlaffen; ich freute || mich so sehr, ich denke, das wird Dir eine große Freude sein, und auch eine Veranlassung werden, daß Du fleissiger singst und spielst; wenn Talent gegeben ist, muß es auch benutzen und kann seinem Hause dadurch viel Freude bereiten, denke doch wie Dein Mann und die Kinder sich freuen, wenn sie die liebe Mama singen hören. – –

Ich fühle das an mir selbst: wie es nicht recht ist, jeden Umgang zu meiden, man wird dadurch immer schwerfälliger und einseitig, daher hatte || ich mir vorgenommen, öfter eine kleine Abendgesellschaft zu geben, aber daraus wird nicht viel werden, da Karl so viel zu thun hat, daß er immer nicht kann; am Sonntag hatte ich nun eine kleine Gesellschaft und es war recht nett belebt, das es mir leid war, daß mein Ernst nicht dabei war; aber etwas erschwert wurde es mir dadurch, daß Bertha, als schon die Gäste geladen waren, solch verschwollenes Gesicht bekam, daß sie nicht Bedienung machen und nur die Küche besorgen konnte, ich borgte mir Claras Hausmädchen, und so ging alles gut. Deine

alte Mutter Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.11.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36667
ID
36667