Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 3./4. Februar 1875

Potsdam 3/2 75.

Lieber Ernst!

Diesmal haben sich unsere Briefe wohl gekreuzt. Ich danke Dir und Agnes herzlich für Euern Brief, zunächst muß ich aber Dich schelten, mein lieber Ernst, daß Du mir nicht die Wahrheit geschrieben hast; in Deinen letzten Briefen sagst Du mir: Emma habe an den Zähnen gelitten, sonst wärt Ihr alle wohl, und nun erfahre ich, daß es Euch allen nicht gut geht. Wenn Ihr mir nicht aufrichtig sagt, wie es Euch geht, wie kann ich dann ruhig sein. Daß die Kinder sich so rasch erholt haben, freut mich, aber nach jeder Hautkrankheit || muß man vorsichtig sein, da sind die Folgen oft schlimmer als die Krankheit.

Am meisten bekümmert es mich, daß Du, lieber Ernst wieder Cartar hast, und ich bitte Dich dringend nimm Dich recht in Acht; wenn Du noch nicht ganz besser bist, so gieb die Reise nach Erfurt lieber auf.

Daß Du, mein lieber Ernst, als Reiseziehl Dir Korsika bestimmt hast, macht mir Sorge, ich denke die Korsen sind gefährliche Menschen. Wenn ich Dir zur Reise Geld schicken soll, so schreibe es in Zeiten und in welchen Raten Du es wünschst?? || Daß Du, liebe Agnes, endlich ein Kindermädchen gefunden hast, freut mich, und ich wünsche, daß sie gut einschlägt! – Auch ist es mir lieb, daß Du Minna behälst, wie gerne giebt man einige Thaler mehr, wenn man nur zuverlässige Leute hat; und dazu gehört gewiß Minna. In den letzten Tagen war hier Julius auch nicht recht wohl, heute hat er doch wieder aufstehn dürfen.

Donnerstag

Gestern konnt ich nicht fertig schreiben, heute habe ich einen traurigen Tag durchkämpft, früh erhielt ich durch Post Briefe, die Bertha gestern erhalten, die sehr schmerzliche Berichte über Augustens zustand enthalten, und die Aufforderung, daß Bertha hin kommen möge. || Bertha ist darauf gestern Abend abgereist.

Ach, lieber Ernst, schon so lange bin ich darauf vorbereitet, daß es mit dem Leben der so theueren Schwester zu Ende gehn würde; aber wie schmerzlich ist es, jemand den man lieb hat, so lange leiden zu sehn. Gott gebe ihr ein sanftes Ende, und den Ihrigen Kraft mit Ergebung den Verlust zu ertragen. –

Daß Dir, liebe Agnes, es schwer wird, Ernst wieder bald reisen zu sehn, kann ich mir leicht denken, wenn es nur bessere Jahreszeit wäre, so würde ich Dich dringend bitten: während seiner Abwesenheit mit den Kindern zu mir zu kommen, doch so darf ich nicht darauf mir Hoffnung machen. Seid all Ihr Lieben auf’s innigste gegrüßt von Euerer alten Mutter Lotte ||

Hoffentlich habt Ihr doch meine letzte Sendung richtig erhalten, ich hatte es als Eilgut durch unseren Kaufmann zur Eisenbahn schicken lassen, und gebeten es frei zu machen hatte es direkt nach Jena adressirt, nun sehe ich auch den Frachtbrief frei bis Apolda, ich fürchte daher, daß es dort liegen geblieben ist, wenn Ihr das Kistchen nicht erhalten habt, so könnt Ihr viel-||leicht a durch die b dahin fahrenden Fuhrleute mal auf der Bahn anfragen lassen.

a gestr.: bei; b gestr.: nach

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.02.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36627
ID
36627