Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 4. Juli 1874

Potsdam 4/7 74

Liebe Agnes!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief und die guten Wünsche. Bei so hohem Alter ist ja jeder Tag als ein Gnadengeschenk; und wenn a das Leben auch viel schwere, ernste Tage giebt, so kann ich doch nur mit Dank das viele Gute, was mir zu Theil geworden erkennen, und vor allen die Liebe, die ich von Kindern und Enkel empfangen.

Reich war der Tag, den ich im Kreise der Kinder verlebte, an Blumen, 11 Töpfe und 3 Sträusse. || Kinder und Enkel kamen den Vormittag alle zu mir, und von Mittag an war ich den ganzen Tag bei ihnen. Wohl hätte ich gerne meine jenenser Lieben auch bei mir gehabt, doch das konnt nicht sein, und so waren meine Gedanken viel bei Euch, und Euere liebe Briefe machten mir viel Freude. Aus der vorgenommenen Landpartie konnte des rauhen, stürmischen Wetters wegen nichts werden. Bis jetzt läßt sich das Jahr in der Beziehung nicht gut an; auch in den Tagen, als ich die Freude hatte, meine Schwester Auguste hier zu haben, war es || ungünstig. Hoffentlich werdet Ihr es zu Euerer Reise besser haben. Ich denke eine Erholung in Gottes schöner Natur soll Euch Beiden recht gut thun; und ich freue mich auf die Kinder. Gerne will ich auch noch einige Zeit mit Dir und Ernst sein, doch kann ich noch nicht sagen, wann ich kommen kann, ich muß vorher noch einige häusliche Angelegenheiten ordnen, so hauptsächlich muß der Ofen in meiner Stube umgesetzt werden, und die Arbeitsleute lassen zu lange wartten. – Sobald ich über mich und meine Zeit verfügen kann, komme ich gerne zu Euch, habe ich Dich || und die Kinder schon so lange nicht gesehn, und werden uns gegenseitig manches mitzutheilen haben, Deine kleine Emma kenne ich ja noch gar nicht. –

Mögest Du die Zeit mit Deiner Schwester Marie etc. recht heiter und ungetrübt verleben, grüsse sie wie Deine liebe Mutter und Clara herzlich von mir.

Eine Unannehmlichkeit ist uns zugestossen: Karl hat sich vorgestern beim Baden den Fuß verstaucht, da muß er ganz liegen, was ihm gestern, wo es so heiß war, recht sauer wurde. Hoffentlich heute besser, da wir früh starkes Gewitter hatten. – Behalte lieb Deine

alte Mutter Lotte.

a gestr.: daß

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.07.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36598
ID
36598