Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potdam, 5. November 1873

Potsdam 5/1173.

Lieber Ernst!

In rechter Sorge bin ich um meine Lieben in Jena, von denen ich so lange nichts gehört. Wie geht es Dir? ist Agnes aufgestanden und wie geht es ihr? was machen die 3 lieben Kinder? etc etc so frage ich in Gedanken wohl 1000 mal. Habt Ihr meinen Brief zum 26sten October aus Berlin erhalten, wo nicht, so schreibt es mir, damit ich auf der Post nachfragen kann. Jedenfals bitte ich dringend um einige Nachricht von Euerem Ergehn. Bei meinem einsamen, stillen Leben wandeln meine Gedanken viel zu Euch. ||

Ich weiß nicht ob Karl dazu gekommen ist, Dir zu schreiben, wie er so lange wollte; es ist hier für ihn eine sehr bewegte Zeit gewesen, und er lebt noch in viel Unruh und Aufregung. Ueber das Befinden des Enkels Karl sind die Nachrichten noch immer leider wenig befriedigend, er hatte neulich den Eltern geschrieben, ganz vernünftig, aber es macht doch einen zu wehmüthigen Eindruck. Er schreibt so ganz als verstände es sich von selbst, er sei viel mit seinem Onkel Karl zusammen etc. Nun Gott möge helfen, wie noch alles werden soll. – ||

Dann hatte Karl eine Aufforderung zum Abgeordnetenhaus, was er aber abgeschlagen, obgleich er wohl Neigung dazu verspürte, aber, die es wohl mit ihm meinten riethen ab, da die Aufregung für ihn zu anstrengend wäre; nun hat er aber als Wahlmann doch Mancherlei zu thun gehabt. –

Gestern Abend waren Ritters mit Karl und Clara bei mir, da haben die beiden Herrn viel über Wahlen etc gesprochen, da auch nächsten in Kirchlichen Dingen zu thun giebt: zu den neu einzurichtenden Sinoden sollen Kirchenräthe gewählt werden von den Gemeinden. || Dazu hatte er noch eine Anfrage wegen einer Versetzung zu beantwortten; für jetzt hat er es abgelehnt und bei den obwaltenden Umständen, war es auch gewiß das rechte; hier wird wahrscheinlich auch eine Veränderung zu seinem Vortheil in Geschäften kommen; hätte er eine von den Stellen angenommen, so hätte er wahrscheinlich schon zum Januar antreten müssen, da mußte er denn wieder allein erst weg, und das würde ihm doch recht schwer geworden sein, da Clara Anfangs des Jahrs ihre Niederkunft erwarttet, und sie diesmal mehr Beschwerden hat, als früher. ||

Als ich neulich bei Herrn Joachim in Berlin unsere Angelegenheiten ordnete, sagte mir einer der Contorherren von Deinen Papieren sei eine Rheinische Priorität Obligation über 100 Thaler I Serie N. 27740 schon seit 1871 verloost und gekündigt; mir ist es nun zwar als sei das die Nummer die wir schon als verlost zurückgegeben haben, ich schreibe es Dir daher nur aus Vorsicht, daß nichts versäumt wird. Sieh also mal nach, hier unter Deinen Coupons ist die Nummer nicht. – Sonst sind Deine Sachen alle besorgt und ich hebe Dir die Pappiere auf bis Du kommst. ||

Bertha, die Euch herzlich grüßt, wünscht von Jena wieder 1 Schinken und 10 [Pfund]a Schlackwurst zu haben, ich bitte also in ihrem Nahmen es für sie zu bestellen wann es wieder gute Waare giebt; und es ihr durch die Post zu schicken. Bertha wollte, um Euch keine Mühe zu machen, ich solle Euch bitten um die Adresse, sie würde es sich dann selbst bestellen. Da ich nun aber von Agnes gehört habe, daß Schinken und Wurst bei verschiedenen Fleischern genommen würde, so sagte ich: Ihr würdet es wohl besorgen. || Wenn es recht gute geräucherte Sachen gibt, so möchte ich auch gerne eine Sendung bekommen; dann bitte ich um Besorgung vonb 3 Schinken, und 15 [Pfund]c Schlackwurst, schreibt mir dann was dies kostet. Nota Bene: schickt Ihr mir von dieser Besorgung nur 2 Schinken und 10 [Pfund]d Schlackwurst, das Uebrige behaltet Ihr als Weihnachtsgeschenk. Lieb wäre es mir wenn ich dabei auch etwas geräucherte Leber- und Blutwurst bekommen könnte. Ist es grade nicht zu warm so läßt sich auch wohl eine Kleinigkeit frische Wurst zu packen. ||

Nun, mein lieber Ernst, muß ich Dir noch sagen, daß ich in den letzten Tagen mich besonders viel mit Dir beschäftigt habe, da ich in der Garttenlaube den Artikel gelesen habe, den mir Frau Prediger Schweder, die ich gar nicht kenne, durch Karl schickte. – Noch mehr interessierten mich die Abhandlungen in der protestantischen Kirchenzeitung. – –

Sei aufs Innigste mit Frau und Kinder gegrüßt von

Deiner

alten Mutter

Lotte.

a Symbol für Pfund; b eingef.: Besorgung von; c Symbol für Pfund; d Symbol für Pfund

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.11.1873
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36551
ID
36551