Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 25. Oktober 1873, mit Beischrift von Bertha Sethe

Berlin d. 25sten

October 1873.

Liebe Agnes!

Zu Deinem morgenden Geburtstag sollen diese Zeilen Dir meinen herzlichsten Glückwunsch bringen. Gott schenke Dir Gesundheit und viel heitere Tage, gebe Dir vor allem Gedeihen und Freude in Deinem häuslichen Kreise, der ja nun aufs neue sich durch den Besitz des zweiten Töchterchens vergrößert hat. Wie sehr, meine liebe Agnes, freue ich mich, daß es Dir diesmal im Wochenbett besser ergangen ist. Gebe Gott daß auch ferner alles nach Wunsch gehe und || Deine drei Kinder zu Deiner Freude heranwachsen, und brave, tüchtige Menschen werden. Dafür muß ja hauptsächlich die Mutter sorgen, die ja schon im kleinen Kinde viel thun kann, damit es früh lernt gehorchen und sich beherrschen, und früh Frömmigkeit ins Kindesherz legen. Dazu möge Gott Dir Kraft geben bei der Erziehung Deiner Kinder. Wie sind denn Walter und Lisbeth gegen die kleine Schwester? haben sie sich gefreut? Mamas seine Lisbet ist wohl etwas eifersüchtig, wenn Mama die kleine Schwester hat? – ||

Seit 8 Tagen bin ich hier bei Bertha: vorigen Sonnabend kam Vormittag meine Schwägerin Minchen zu mir, und blieb bis Sonntag, den ersten Tag waren Karl und Clara bei mir zu Mittag, und Sonntag waren wir bei Karl, von wo ich Nachmittags mit Minchen nach Berlin fuhr. Leider fand ich meine Schwester Bertha recht erkältet, und sie muß noch immer das Haus hüten. Zu ihrem Geburtstage kommen viele Verwandten und Freunde, darunter war auch Deine Schwester Marie, die ich recht wohl aussehend fand. ||

Uebermorgen denke ich nach Potsdam zurückzureisen. – Hier habe ich viel unerfreuliches, regnichtes Wetter gehabt, so daß ich gar nicht ausgewesen bin; nur habe ich in der Schumannschen Fabrik wegen Deiner Teller fragen lassen, die sind nicht mehr zu haben, auch in Potsdam war ich in allen Porzelanladen deshalb, konnte nirgend welche bekommen; nun werde ich sie in Potsdam bestellen, wo mir einer von den Herrn versprochen hat mir welche mahlen zu lassen. ||

Ich wollte Dir, liebe Agnes, gerne zu Deinem Geburtstag eine kleine Freude machen, und wollte Dir ein Kleid kauffen, da ich es aber nicht wußte, was Dir lieb sei, so schicke ich Dir hierbei 10 Thaler mit der Bitte Dir in Jena selbst eins zu besorgen. Mögest Du den morgenden Tag recht heiter und gesund im Famielienkreis verleben, empfiehl mich Deiner lieben Mutter und Schwester beßtens; den Kindern einen innigen Kuß, und Dir und meinem Ernst die herzlichste Umarmung. || Gott sei mit Euch alle und behaltet lieb

Euere

alte Mutter

Lotte. ||

[Beischrift von Bertha Sethe]

S. W. Berlin 25/10 73.

Meine liebe Agnes

Dem Glückwunsch der Mutter möchte ich doch gerne auch von mir einen herzlichen Gruß und Wunsch hinzufügen. Zunächst Du als die Geburtstägerin im besonderen, daß vor Allem Dich mehr und mehr erholen und kräftigen mögest, um dann auch Deines Glückes, das Dir in Mann und nun drei! Kindern geworden, recht froh und freundlich Dich a hingeben kannst. Euch Eltern Beiden noch besondern Glückwunsch zu dem neuen Ankömmling. Walther und Lisbeth sind gewiß selig über das Schwesterchen: Für’s Erste ist es lauter Freude und || Seligkeit, bis dann die Zeit der kleinen Zänkereien und Neckereien kommen, die ja aber auch ihr Gutes haben, da reibt sich eins an dem andern; denn gerieben muß sein, thuen es nicht die Geschwister, so thut es nachher das Leben, und in ihm Dieses und Jenes, und das thut weher! Doch wohin bin ich gerathen! Durch einen anhaltenden Katarrh bin ich leider schon seit längerer Zeit an’s Zimmer gebannt, und überhaupt so etwas unbrauchbar für Andre; Mutter Lotte muß schon fürlieb nehmen; es ist gar zu nett, daß ich sie ein Mal bei mir habe, wenn sie nur etwas länger bliebe? Ernst herzlichen Gruß den Kindern einen Kuß, und Dir noch einen besonderen Gruß von der

alten Tante Bertha.

a gestr.: Deine

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.10.1873
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36550
ID
36550