Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 28./29. August 1873

Potsdam 28/8 73.

Liebe Agnes!

Dein heutiger Brief hat mich in rechte Unruh und Aufregung versetzt, da Du noch immer keine Nachricht von unserem Ernst hast; was bei seiner sonstigen Pünktlichkeit im Schreiben befremdet. Auch Deinetwegen bin ich in Unruh, daß Du nicht zu sehr Dich aufregst, denke an Dein Kindchen, daß Du Dir nicht schadest; wahrscheinlich ist ein Brief verlohren, was ja so oft vorkommt. ||

Ich denke mir, wenn Ernst, was Gott verhüten wolle, krank geworden wäre, oder ihm sonst was zugestossen wäre, und er Dir nicht habe schreiben wollen, Dich nicht zu beunruhigen, so würde wohl Karl oder ich Nachricht haben. – So wollen wir hoffen, daß es ihm gut geht, und wir bald von ihm es hören. – Hat Ernst Dir aufgeschrieben, wo ihm Nachricht zu geben ist, dann bitte, schreibe es || mir gleich, ich will dann mit Karl sprechen ob er weiß auf welche Weise wir nach ihm forschen können. Ernst sagte er würde einen Freund aufsuchen, den er seit 17 Jahren nicht gesehn, weißt Du wer und wo der ist, dann könnte ja Karl an den schreiben.

Daß die Kinder wieder gesund sind freut mich; laß sie nur ja Leibbinden tragen, und sorge, daß Luise sie rasch wäscht, daß sie nicht so lange dabei bloß sind, und dadurch erkälten; auch sage mir, wie es Dir geht. – ||

Nach dem friedlichen traulichen Leben bei Euch, lebe ich jetzt recht in Kontrast; ich habe großen Aerger mit Marie gehabt, so daß ich mir zum October noch ein anderes Mädchen suchen muß, da habe ich viel Lauferei, und heute haben sich soviele gemeldet, daß ich ganz verwirrt davon bin, und habe doch noch keine. –

Nun, das ist alles Nebensache, gebe Gott nur, daß wir bald über unsern Ernst beruhigt werden. – ||

Hospenthal bei Andermatt 27/8. In drei schönen Tagen ganz wohlbehalten, bei herrlichem Wetter von Cur durch das Vorder Rheinthal nach Andermatt gegangen. Morgen nach Eggirchhorn bei Viesch. In 4 Tagen dann über Haudeck nach Luzern. Dann zurück nach Constanz. Briefe nach Luzern oder Constanz post. rest.

So lautet die eben 29/8 um 4 Uhr Nachmittag erhaltene Kartte, die mir eine große Beruhigung ist. Obgleich ich bestimmt erwartte, daß Du, meine liebe || Agnes, auch Nachricht hast, so schreibe ich doch gleich wenn etwa der Brief an Dich nicht angekommen wäre.

Wir wollen Gott danken daß es Ernst gut geht, und ihn bitten, uns den lieben Mann und Sohn wieder frisch heimkehren zu lassen. Hoffentlich bist Du nun auch ganz beruhigt, sicherlich ist ein früherer Brief von Ernst verlohren, da er nach dieser Kartte voraussetzt, || daß wir von seinem Ergehn bis Chur schon wissen. –

Sei mit den Kindern auf innigste gegrüßt von

Deiner

alten Mutter

Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.08.1873
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36537
ID
36537