Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 15. März 1871

Berlin 15/3 71

Mein lieber Ernst!

Eine große Freude hast Du uns heute durch Deinen lieben Brief gemacht. Bis jetzt ist ja, Gott sei Dank, Dir alles nach Wunsch gegangen, und ich hoffe sehr die Reise wird Dich recht erfrischen; daß Du mit fröhlichem Muth zurück kehrst, und hoffentlich nicht zu lange ausbleibst; nimm Dich nur beim Suchen der Schwämme sehr in Acht, strenge Dich nicht zu sehr an, und sei mir nicht so waghalsig; wie ich es oft von Dir gesehn habe. –

Daß man Dir in Wien sehr zureden würde, habe ich schon hier gefürchtet; || durch Agnes habe ich am Montag Deinen ersten Reisebericht erhalten, der mir ein rechter Trost war; denn ich kann es nicht verhehlen, es lag mir, wie Centnerlast auf dem Herzen nach Deiner Abreise, und es war mir, als hätte ich mögen so recht mit Dir mich aussprechen, Du kamst mir so gedrückt vor, und ich bin ja von früher daran gewöhnt daß mein alter, lieber Junge mir alles offen sagt.

Daß Dir Agnes Krank-||heit Kummer macht, ist natürlich, aber mein Herzens Ernst, Du mußt es auch nicht zu schwer nehmen, solche Zeiten der Prüffung kommen ja immer, und werden hoffentlich gut vorüber gehn; und mit der Zeit giebt sich ja auch manches, wir dürffen nur nicht müde werden, und müssen auch den Muth haben; offen uns über alles mit unsern Lieben auszusprechen. – Agnes schreibt mir auch daß sie noch nicht besser sei, sagt aber den || Kindern ging es recht gut; sie wünschte noch Kakao zu haben, da habe ich ihr gleich Montag 3 [Pfund]a geschickt, und dazu einige Apfelsinen etc gepackt. Den Reisebericht habe ich gleich an Karl geschickt, und gebeten ihn mir wieder mitzubringen, damit ich sie alle aufhebe für Dich. –

Wir hatten in dieser Woche rechte Sorge um meine Schwester Auguste, die recht krank war; nach einem || heutigen Brief an Bertha, ist es auf der Besserung. –

Vater hält sich im Ganzen so wie Du ihn hier gesehn hast; nur hat er Husten und Schnupfen. –

Man glaubt, daß übermorgen der König her kommen wird, und da soll wieder Illumination sein. – Gestern kam hier durch unserer Strasse ein großer Transport Franzosen unter preussischer Bedeckung, ich vermuthe, daß || es Gefangene sind, die heimkehren. –

Als vorgestern Dein Reisebericht kam, war grade Frau Professor Weiß hier, die sehr glücklich war, von Dir zu hören und schöna grüßt. Hoffentlich bekommen wir fleissig Nachricht von Dir. Wird in Triest ittaliänisch gesprochen? Da mußt Du die alte Sprache wieder hervor holen. –

Gott behüte Dich, mein Herzens Junge und behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte.

a Symbol für Pfund; b eingef.: und schön

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.03.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36398
ID
36398