Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 6. August 1869

Berlin d. 6/8 69

Lieber Ernst!

Eben erhalte ich Deinen sehnlichst erwartteten Brief, tausend Dank dafür. Wie freue ich mich, daß es Dir bis jetzt gut gegangen ist, möge auch ferner Deine Reise Deine Erwarttungen erfüllen; sei nur nicht unvorsichtig. So oft Du irgend kannst, gieb uns ja Nachricht, meine Gedanken begleiten Dich immer. Von Deiner Frau habe ich zu meiner Freude einen Brief vom 2ten erhalten, worin || sie von ihrem Unwohlsein nichts schreibt, also muß es wohl nicht bedeutend gewesen sein, vom kleinen Walter sagt sie obgleich er noch Husten habe und an den Zähnen leide, sei er doch sehr vergnügt und pappeln viel; nun hoffentlich werden Beide sich wohl halten in Deiner Abwesenheit. Sehr habe ich mich gefreut, daß Agnes mir schreibt: Frau Gegenbauer geht es besser! –

Was soll ich Dir von uns sagen: Vater ist wohl, aber sehr || matt wohl in Folge der großen Gewitter, die wir gehabt. Gegen gewöhnlich ist es bei uns ziemlich unruhig, viel Besuche kommen in Veranlassung von Karls Verlobung: Clara ist viel bei uns, und ich habe mich schon recht mit ihr eingelebt: Mittwoch war sie mit Tante Bertha in Potsdam; beide sagen mir wie lieb und nett die Kinder gewesen, sie sind gegen Clara zutraulich und herzlich. Heute Abend erwartte ich Karl, der morgen früh mit Clara nach Prenzlau || fahren will zu einer Schwester von Clara; die dort mit einem Pastor verheirathet ist. Sonntag Abend denken sie zurück zu kommen. Deinen Brief an Virchow habe ich gleich mit Couvert und Freimarke versehn und in den Kasten geworffen. –

Deine Empfindungen beim Vorüberfahren an Heringsdorf kann ich mit Dir theilen, wenn ich es natürlich finde, daß eine tiefe Wehmuth dabei Dich beschlich; so wollen wir doch || uns nicht so dem Gefühl uns hingeben, daß wir nicht dankbar das Gute erkennen, was wir gehabt, und was uns täglich wird; so denke ich mir, daß Doih der Besitz Deines süssen Kindes das Leben wieder recht frisch und lieb machen soll. – Unser Leben hier auf Erden ist ja ein ewiger Wechsel, und wie a berühren sich die frohen Ereignisse mit den || traurigen, so auch jetzt bei uns; am 3ten ist Johannes Bleek gestorben; wenn das ja nach den letzten Berichten für ihn eine Wohlthat war, denn so hinzusiegen ist kein Leben, so bewegt es mich doch tief, ich muß an den Schmerz meiner Schwester Auguste denken, und den der armen jungen Frau. –

Wilhelm Bleek || ist vorigen Montag Abends mit Frau und Kind hier abgereist. – Tante Bertha wird nun wohl bald nach Bonn reisen sobald Bleeks wieder dort sind. – Bertha Peters ist mit Jacobis zurückgekommen, Letztere sind bis jetzt hier geblieben, weil August krankgeworden, Quincke, der wieder zurück ist, erklärt es für Podagra. – – –

Sobald was über Karls Hochtzeit bestimmt ist, schreibe || ich es Dir, denn Du mußt Dich so einrichten, daß Du jeden Falls bei uns bist. – – –

Hast Du mir denn das Bildchen von Dir mit Frau und Kind entführt? ich habe Dich in Verdacht, ich wollt es einrahmen lassen, und finde es nicht in meinem Secretär, wo ich es doch bestimmt hingelegt. Vater grüßt Dich aufs herzlichste wie auch Deine Mutter Lotte.

a gestr.: öfter

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.08.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36356
ID
36356