Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 8. Mai 1877

Potsdam 8/5a 77.

Was macht nur, mein lieber Herzens Ernst? mit Frau und Kinder. So frage ich täglich und bekomme keine Antwort. Ich sage mir wohl, daß Du vielleicht zu viel Arbeit hast, und da will ich Dich nicht noch mit Schreiberei an mich quällen, aber dann erzeigt Agnes mir wohl die Liebe und giebt mir Nachricht über Euer Ergehn. Ach in so schwere traurige Zeit, wie wir jetzt durchleben, hat man doppeltes Verlangen nach den entfernten Lieben; und neigt auch mehr zu Sorgen, so ängstigt es mich, ob Du wohl bist, ob es Dir nicht || geschadet, da bei uns das Clima doch viel rauher ist als in Corfu. Bitte sagt mir doch aufrichtig wie es Euch geht. – Ich dachte immer zu hören, wann Ihr kommt; dann möchte ich auch wieder, Ihr hättet hier besseres Wetter; aber worauf kann man wartten; es scheint ja dies Jahr sehr rau zu sein im Wetter und in Schicksalsschlägen. Unser armer Karl hält sich tapfer, aber er sieht sehr elend aus, ich versprecheb mir viel für ihn von Deinem Hiersein, daß er sich mit Dir aussprechen kann; er wollte immer Dir schreiben, ist aber durch Arbeit und sonstige || Besorgungen nicht dazu gekommen.

Heute ist der Wein angekommen, den Du geschickt hast; habe herzlichen Dank dafür. Wenn wir nur erst mit Dir davon trinken könnten. Uebrigens ist Karl mit den Kindern gesund. Die Kinder machen sich gut; Anna und Marie bemühen sich dem Vater zu helfen, für die kleineren Geschwister zu sorgen. – An Theilnahme an unserem Unglück fehlt es nicht. Gestern besuchte mich Agnes Sack, und ich fuhr mit ihr zum Kirchhof, zu Claras Grab; von da bracht ich sie zum Bahnhof. – ||

Hoffentlich höre ich bald wann ich Euch erwartten kann.

Grüsse Agnes und die Kinder herzlich von mir und behaltet lieb

Euere

alte Mutter Lotte

a irrtüml.: 4; b korr. aus: versprechte

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.05.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36339
ID
36339