Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 3. März 1870

Berlin d. 3ten März

Mein lieber Ernst!

Hoffentlich seid Ihr, lieben Jenenser, alle 3 munter. Von uns kann ich das nicht rühmen, wenn es auch jetzt besser geht: Vaters Befinden hat mir viel Sorge gemacht; vor 10 Tagen wurde er mir in der Nacht sehr unwohl, wobei er sehr aufgeregt war; dann trat große Mattigkeit ein. Besonders betrübte es ihn, als er wieder versuchen wollte auszugehn, und er nun inne wurde, daß ihm dazu die Kräfte fehlten. Gefahren sind wir aber täglich, und das freut ihn und es erfrischt ihn auch. ||

Schlimm traf es sich auch, daß grade in dieser Zeit Karl Hausarrest hatte; das ist mir überhaupt doch eine ängstliche Geschichte mit Karls Fall; wodurch die Ribbe gedrückt ist, was ihm Athmungsbeschwerden verursacht hat; vorigen Freitag kam Clara herüber um nach Vater zu sehn, und sagte uns daß Karl nicht ausgehn dürfe; heute Mittag kam er nun selbst; meinte es ging besser, der Doctor meinte aber, era würde sich noch länger schonen müssen, er sah auch übel aus, doch ist das sehr leicht || bei Karl der Fall, wenn ihm nicht recht ist. Vater freute sich aber sehr. Karl kam nun um halb eins, fuhr mit uns, reiste aber schon um 3 nach dem Essen gleich wieder ab. – Mir ist es aber doch lieb, daß er hier war, Vater sehnt sich doch immer nach Euch, täglich fragt er: was werden nur unsere Kinder machen? – –

Tante Gertrude ist auch noch sehr krank. –

Tante Auguste, die wieder besser ist, denkt Sonnabend mit Hedwig abzureisen, Anna wird noch hier bleiben um nach einigen Wochen mit Bertha Piene zu reisen, die nach Sobernheim will. – ||

Bleeks waren mit Tante Bertha vorigen Sonntag und gestern bei uns zu Mittag, was Häckel Freude macht. Vater wünschte auch Julius dabei zu haben, was aber Sonntag Quincke nicht erlaubte, es sei für Vater zu viel, da er es aber sehr wünschte, hatte ich es ihnen zu gestern gesagt. – Habe ich es Dir denn schon gesagt, daß bei Bleeks in der Kapstadt ein kleines Mädchen angekommen ist, und daß es nach neueren Nachrichten Mutter und Kind gut geht. Aus Amerika hatten sie heute Briefe, Philipp war wieder nicht recht; sie haben dort große Hitze. ||

Heute sah ich aus der Zeitung, daß in dem neuesten Heft der Zeitschrift der Erdkunde Deine Pickbesteigung stehe, bekommst Du davon separat Abdrücke, und erhält Deine alte Mutter einen? sonst bestelle ich mir das eine Heft, denn da Vater aus der Geographischengesellschaft aus getreten ist, bekommen wir die Zeitschrift nicht mehr. Als Vater eben bei seiner Stubenprommenade mich fragte an wenn [!] ich schriebe, und ich ihn fragte, ob er was zu bestellen habe sagte er: schöne || Grüsse und er soll sich bald herscheren. –

Auf Dein Herkommen, mein lieber Ernst, freue ich mich sehr. Grüsse Deine Agnes herzlich von mir, und unserem Putchen gieb einen Kuß von seiner alten Großmutter. Gott sei mit Euch, Ihr drei Lieben, und erhalte Euch gesund.

Deine

alte Mutter

Lotte.

a gestr.: das; eingef.: er

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.03.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36332
ID
36332