Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 3. Januar 1871

Berlin 3/1 71.

Mein lieber Ernst!

Gestern Nachmittag erhielt ich Deinen lieben Brief mit dem Dokument. –

Wie leid ist es mir, daß Deine Agnes noch immer leident ist und das Bett hüten muß. Die arme kleine Frau soll nur den Muth nicht verlieren; all die kleinen Unbequämlichkeiten werden sich ja hoffentlich verliehren, wenn der Arzt ihr erlaubt auf zustehn. Mir ist es auch betrübt, daß sie sich darüber auch nicht so von Herzen freuen kann nun auch ein klein Mädel zu haben. Ein großes Glück || ist es für Euch alle, daß die liebe Mutter und Clara bei Euch sein können; grüsse sie herzlich von mir. –

Von Deinen beiden Kindern sagst Du mir nichts, hoffentlich sind beide munter. Nun zum Bericht über den geschäftlichen Theil Deines Briefes, nach dessen Empfang habe ich gleich durch Postanweisung die 25 Thaler geschickt, die Du wohl heute wirst empfangen haben. – Heute früh bin ich gleich zu Herrn Joachim gegangen, der meiner Meinung auch war, daß es am Beßten sei, die Zurückzahlung zu nehmen, || aber das thäte die Landschaft nicht. Auf meine Frage ob sie das nicht müsse, da sie das Pappier gekündigt habe, erklärte er mir: die Pfandbriefe ständen immer auf ein bestimmtes Gut, und wenn der Besitzer des Gutes das Geld zurück zahle oder ein andern Pfandschein nehme, dann verfalle der Pfandbrief und würde gegen einen andern umgetauscht; dasselbe sagte mir vorgestern schon Karl, der hier war. Ich habe also Herrn Joachim dem Pfandbrief gegeben mit der Bitte den Umtausch zu besorgen. – ||

So sehr mich auch die Aussicht freut, Dich bald hier zu sehn, so sind doch wirklich 2 Tage für Berlin zu wenig; jeden Falls, wollen wir, wenn es fest ist, wenn Du herkommst, es Karl wissen lassen, daß er dann auch einen Tag herüber kommt. –

Daß Du wieder solche große Reise vorhast, ist mir nicht lieb, Du kannst sie aber doch erst antretten, wenn Deine Frau ganz besser ist, und wieder orndlich auf dem Zeug. – ||

So sehr ich mich auch über die Kapitulation von Paris freue, und die damit verbundene Aussicht auf Frieden, so ist es mir doch schrecklich, daß das Blutvergiessen noch immer nicht aufhört. Wenn der Herr Gambetta nur persönlich tüchtig durchgeprügelt würde; der Mensch ist zu verrückt, seiner Eitelkeit wegen so alles aufs Spiel zu setzen, und wie viel Menschen werden unglücklich! ||

Grüsse mir Deine Frau und Kinder herzlich. Gott sei mit Euch! Behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte Häckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.01.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36297
ID
36297