Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 4. September 1865

Berlin d 4ten | September 65a.

Mein lieber Herzens Ernst!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, den wir vorgestern erhielten. Ich hatte rechtes Verlangen von Dir zu hören, und freue mich, daß Du Freunde da hast, und nicht so einsam auf der einförmigen Insel bist. Das ist keine Erholung nach dem angestrengten Arbeiten, und ich dächte, Du kürzestes lieber Deinen Aufenthalt auf Helgoland ab und wärest desto länger am Rhein, mein lieber Rhein mit seinen vielen reizenden Nebenflüssen wird Dir schon gefallen. || Daß Du wieder so freundliche Aufnahme bei Deiner frühern Wirthin gefunden hast, freut mich; daß die arme Frau aber Mann und Sohn verlohren hat, thut mir leid. Grüsse sie von mir.

Nun, mein lieber Ernst, muß ich Dich aber auch noch recht sehr bitten, arbeite nicht zu viel, gönne Dir auch Erholung und Ruhe, und wäre es nicht besser, Du badestes am Badestrand; mir scheint es doch gefährlich, wenn Du so vom Both ins Wasser springst. Nimm Dich überhaupt in Acht, denke, wie lieb wir Dich haben. – ||

Vater ist gesund und frisch, und ich denke es auch bald wieder zu sein. Seit vorigen Dienstag quält mich ein hartnäckiger Durchfall; und da es immer nicht besser wird, bin ich heute bei Quincke gewesen, der mir eine Medicin verschrieben hat, die wirklich zu helfen scheint. Ich muß ja machen, daß es wieder gut wird, da wir willens sind nächsten Sonnabend nach Landsberg zu reisen, wo wir wohl bis Ende dieses Monaths bleiben werden. Am vorigen Donnerstag besuchte uns Hein mit dem wir verabredeten, daß er Sonntag || mit Lachmanns zu Mittag sein sollte: Luise brachte die Kinder nicht mit auch Frau Professor Passow kam nicht, weil sie, wie sie mir Sonnabend kam [zu] sagen zu viel spräche, und Luise dann zu stumm wäre. Gertrud kam aber mit, die sehr befriedigt von ihrer Reise ist. Hein läßt Dich vielmals grüssen, wie auch alle Freunde und Verwandte, die ich gesehn. Heinnrich ist seit Freitag zurück und hat heute zum ersten mal bei uns gegessen, er grüßt herzlich. Frau Professor Weiß ist mit den Beirichs nach Stolberg. – ||

Tante Bertha geht es leidlich; da sie gar nicht ausgehn darf, kommt ihr schöner Balkon ihr sehr zu statten. Max Sack ist als ganz geheilt von Reimer entlassen, er macht jetzt eine Reise mit seiner Schwester Gertrud in der Schweiz.

Wenn es in Helgoland so theuer ist, so sei nur nicht zu knauserich, und iß Dich orndlich satt, wenn Deine Mittel nicht reichen, schiesse ich Dir gerne zu; Du sollst mir ja für Deine Gesundheit Sorge tragen. – ||

Nun leb wohl, mein lieber Herzens Ernst! Halte Dich gesund und behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte.

Bertha Petersen ist mit ihren Kindern bei der Mutter in Heringsdorf. –

a irrtüml.: 56

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.09.1865
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36289
ID
36289