Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Carl Gottlob und Ernst Haeckel, Landsberg an der Warthe, 12. – 13. September 1866, mit Beischrift von Karl Haeckel

Landsberg den 12ten September

Mein lieber Herzens Mann und lieber, lieber Ernst!

Die so sehnlich erwarttete Nachricht von Euch, erhielt ich endlich heute, habt Dank dafür; aber wie betrübt es mich, daß Du mein lieber Ernst, ein paar Tage krank gewesen bist; hoffentlich ist es nun auch wirklich gut; solltest Du aber noch kranksein, und meiner bedürfen, oder daß es für Vater besser ist, so bitte ich telegraphiert mir, ich komme dann gleich zu Euch. Aufs dringendste bitte ich Euch, Beide, nehmt Euch nur recht in Acht, und pflegt Euch gegenseitig; wie wird mein Mann das zu || Stande bringen? –

Heute Mittag ist unerwarttet Bertha hier angekommen; das ist mir sehr lieb, da läßt sich doch manches besprechen.

a In diesen Tagen hatten wir einige kleine Sorgen: Sonntag hatte der kleine Georg etwas Durchfall, es wurde aber gleich besser. Dienstag bekam der kleine Ernst heftigen Durchfall, wir liessen gleich den Doctor kommen, der Junge mußte im Bett gehalten werden, und nachdem er 2 Tage gelegen ist er nun heute wieder gut, und || wird morgen wieder aufstehn. Kleines Unwohlsein kommt ab und zu bei den Kindern, doch im Ganzen ist es gut. –

Den 13ten

Gestern Abend war ich zu kaput, ich konnte nicht fertig schreiben; nun will ich noch Deine Frage, lieber Häckel, wie es mit den Kindern gehalten werden soll? b

Karl wird alle bei sich behalten, natürlich muß jemand ins Haus kommen, und da hat sich was gefunden, was uns für jetzt als Versuch gut dünkt; eine || verwitwehte Frau Supperintendentin Oberheim, die hier lebt, wird mit ihrer 13 jährigen Tochter in’s Haus ziehen, die Kinder und Wirthschaft besorgen; Frau Sturm hat sie empfohlen, und kennt sie sehr genau; so gebe Gott, daß es gut gehe; sie kann und wird in den nächsten Tagen kommen. –

Grüsset Hulda und Bertha, derend wegen ich Dir noch schreibe, daß nur Sonntags kein Dampfschiff geht || darnach muß Bertha ihre Reise einrichten.

[Beischrift von Karl Haeckel]

Einige Zeilen, Ihr Lieben, muß ich doch Mutter’s Briefe noch hinzufügen.

Daß ich mich sehr freuen werde, mich mit Euch aussprechen zu können, brauche ich nicht erst zu sagen. Aber doch muß die Rücksicht auf die Gesundheit für Dich, lieber Vater, die entscheidende sein. Ich muß Dir deshalb anheim geben, ob Du nicht noch etwas warten willst. Du, lieber Ernst, muß jedenfalls vor Deiner Reise auf einige Tage herkommen. Ich kann in nächster Zeit schwer hier fort aus vielfachen Ursachen.

Nun ich Mutter und Tante hier habe, merke ich die Leere im Hause noch nicht in dem Maaße, wie es später der Fall sein wird. Es ist mir immer als wäre Mimmi nur verreist u. müßte wieder kommen. Im Hause lassen wir alles möglichst in der alten Form. – Der erste heftige || Schmerz ist überwunden; das Leben geht im gleichförmigen Gleise, wenn auch in einem fremden, weiter fort. Aber die schmerzlichsten Empfindungen von der großen Lücke, die in dem häuslichen u. inneren Leben entstanden ist, werden noch lange Jahre immer und immer wieder bei den mannigfachsten Gelegenheiten auftauchen.

Nun, Gott befohlen. Die Kinder, die mir jetzt noch 10fach mehr am Herzen liegen als vorher, sind munter.

Landsberg 13/9 Abends

Euer Karl

H: EHA Jena, egh., 1 Dbl., 21,0 x 13,2 cm, 4 S., Besitzstempel

a gestr.: Ich; b gestr.: besprechen

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
13.09.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36263
ID
36263