Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 13.–23. April 1866

Berlin den 13ten | Aprill 1866.

Mein lieber Ernst!

2 Tage bist Du erst weg, und doch ist es mir als wäre es schon viel länger. Wenn Du hier auch so sehr beschäftigt warst, daß man nur wenig von Dir haben konnte, so fehlst Du mir doch jetzt sehr, es war doch hübsch, wenn man Dich auch nur auf Augenblicke sehn konnte. Nun wirst Du schon wieder recht in der Arbeit sein, aber, mein lieber Herzens Sohn, über-||treibe es nicht, gönne Dir doch auch etwas Erholung. Wenn Du täglich ins Freie gehst, dann kannst Du auch wieder mit frischen Kräften zur Arbeit zurück. Auf meiner Komode [!] liegt ein Heftchen: Vor der Sündflut die ersten Blätter sind aufgeschnitten und es liegt ein Zeichen drin. Gehört das Dir? Soll ich es Dir schicken oder kann es bleiben bis wir kommen? ||

Den 20sten Gestern, mein lieber Ernst, erhielt ich endlich die sehnlichst erwarttete Nachricht von Dir. Daß Du gesund bist, freut mich, damit Du es aber auch bleibst, beherzige meine vorstehende Bitte. Wie bei allem, so muß auch bei der Arbeit Maaß und Ziel gehalten werden. Denke nur auch daran, wie lieb wir Dich haben. –

Von hier ist auch nichts besonderes zu berichten: wir sind wohl, und Tante Bertha scheint doch nun auch langsam sich zu bessern; sie ist jetzt auf, und kann auch am Stock etwas a in der Stube umhergehn. ||

Frau Professor Weiß ist gestern nach Skeuditz gereist, denkt aber in 14 Tagen wieder hier zu sein. Wir waren vorgestern gegen Abend noch einen Augenblick bei ihr, da sie uns Mittags nicht zu Hause gefunden, als sie Adieu sagen wollen. Sie hat jetzt gute Nachricht von Ernst, der diesen Winter sich gut gehalten habe. –

Einige Tage nach Deiner Abreise, sucht Herr Professor Prinzheim Dich hier auf; es war ihm leid, daß Du schon abgereist seist, erb habe bestimmt gehofft, Dich zu finden. – ||

Montag früh. Wirst Du mein lieber Ernst, in den Pfingstferien nicht eine kleine Wanderung machen? vielleicht mit Gegenbauer? Das wäre mir sehr lieb, wenn Du eine kleine Erholung hättest, und mit Gegenbauer zusammen was unternehmen könntest. Wie hat Gegenbauer seine kleine Emma gefunden? Grüsse ihn schön von mir; wie auch Hildebrands etc Gertrud Passow hat schon bei uns Abschied genommen. ||

Frau Professor Weiß ist nach Skeuditz und Eger, sie wird wohl bald zurückkommen. – –

Vater ist wohl und wenn er so bleibt, wirst Du Dich freuen, wie frisch er ist; er macht immer fort Reisepläne, sehr sehnt sich sehr nach unseren Kindern. – Nun leb wohl, mein Herzens Ernst, sei aufs innigste umarmt von

Deiner

Dich so herzlich liebenden

Mutter Lotte

a gestr.: der; b eingef.: er

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.04.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 36256
ID
36256