Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 2. – 5. März 1864

Berlin 2/3 64.

Mein lieber Herzens Ernst!

Obgleich ich weiß, daß Du diese Zeilen erst spät bekommen wirst, so ist es mir doch Bedürfniß zu schreiben. Mein Herz ist ja immer bei Dir und theilt Deinen Schmerz, und möchte so gerne ihn lindern; und doch kann ich hier jetzt nichts für Dich thun, als für Dich beten. So möge dann Gott mein Gebet erhören, und Dir Kraft geben, mit Ergebenheit auch dies schwere Leid zu tragen.

Seit ich von Dir bin, mein lieber Ernst, ich nicht mit Dir seina und mich aussprechen kann, wird mir unser großer Verlust noch viel schwerer; besonders gestern Abend verlangte mich recht nach Dir, ich dachte mir, wie Du nach dem Du den Tag über in Heidelberg umher ge-||wandert, wohl einsam in Dein Stübchen traurig säßest; da hätte ich mögen zu Dir eilen; und Deinen Blick nach oben in die himmlische Heimath richten; wo es ja eine geistige Gemeinschaft aller giebt, die b hier im Geiste vereinigt waren. So gebe Gott uns Muth und Seegen; daß wir treu unsern Beruf hier auf Erden auf zu erfüllen suchen, und umc einst der ewigen Seeligkeit theilhaftig zu werden. –

Dir, mein lieber Ernst, hat Gott viel Arbeitskraft gegeben, und so hoffe ich, es wird Dir leichter werden, wenn Du erst wieder wirst arbeiten können. – ||

Donnerstag

Gestern ist Mutter Minchen nach Frankfurt gereist, sie war noch hier geblieben, um von uns noch von Dir zu hören. Das sagte uns Montag Abend bei unserer Ankunft Heinnrich, der uns auf dem Bahnhof erwarttete und alles besorgte.

Dienstag assen nun Mutter Minchen, Heinnrich Tante Gertrude und Tante Bertha bei uns zu Mittag.

Bei unserer Ankunft hier erfuhren wir denn auch, daß in unserer Abwesenheit in der Famileie 2 Todesfälle angekommen sind: die Generalin von Grolman, die am 25sten Februar gestorben ist, und der alte Onkel Sethe in Aurich ist denn gestorben. ||

Wenn auch es immer wehmüthig ist, die Menschen scheiden zu sehn, die man lieb hat; so ist es doch ganz was andres, wenn alte Leute abgeruffen werden; als wenn ein jugendlich, frisches Leben endet. Gottes Wege sind uns da unbegreifflich, wir müssen stille halten, und nach Ergebung ringen, und die gebe Dir Gott, mein geliebter Ernst. –

Von Jena sind gestern 2 Brief an Dich hergeschickt, einer vom alten Wieck und 1 von August Merkel, beide sehr lieb und herzlich, ich werde sie Dir aufheben; auch Gonne Mölder hatte an Tante Gertrude sehr theilnehmend geschrieben. ||

Sonnabend

Mein lieber Ernst!

Karl, der Dich herzlich grüssen läßt, schickte für Dich einen Brief von Grabbe, eben so kam heute einer zurück von Kühne; ich habe sie Dir alle aufgehoben; soll ich sie bis zu Deiner Rückkunft aufheben, oder soll ich sie Dir nach und nach schicken? heute lege ich bloß den von Deiner Schwiegermutter bei, er wird sonst zu dick. Bis heute Sonntag, habe ich den Brief liegen lassen, weil ich immer auf Nachricht von Dir hoffte. Wenn Du noch nicht geschrieben hast, bitte dann sage uns bald, wie es mit deiner Gesundheit geht etc. wir sind immer bei Dir mit unserer Liebe. Gottes Seegen wünscht Dir Deine alte

Mutter.

a korr. aus: bin; b gestr.: sich; c korr. aus: und; d Text auf Brief von Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Beilage von der Hand Charlotte Haeckels, 5. Februar 1864, A 35932: Sonnabend Mein lieber … Deine alte Mutter.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.03.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36193
ID
36193