Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 27.– 30. [April 1864]

Berlin d. 27sten

Mein lieber Herzens Ernst!

Daß Du so viel schlechtes Wetter hast, erschwert es Dir wohl sehr, mit männlicher Kraft und Ergebung Dein Leid zu tragen; aber nur Muth; es wird besser werden; lerne nur erst beim tiefen Schmerz, auch dankbar das Gute erkennen, was Du gehabt hast, und noch hast. Freilich a ist Dein Schmerz um die so heiß geliebte Frau gerecht, aber auch der muß sich verklären, Du mußt Dir des geistigen Zusammenhangs mitb ihr bewußt werden; dann wird ihr Andenken und ihre Liebe Dich auf Deinem Lebensweg begleiten, und stärken zum Guten und zur treuen Pflichterfüllung. Es ist ja so köstlich, daß Du mit Befriedigung an Euer Zusam-||menleben zurück denken kannst. – Wenn Dir auch noch viel schwere Stunden kommen werden; so denke ich mir doch, es wird Dir leichter werden, wenn Du erst wieder in Deiner Berufsthätigkeit bist. – Wenn Du auch jetzt etwas arbeiten kannst, so hängt das doch zu viel von Deinem freien Willen ab; ganz anders ist es, wenn man eine pflichtmässige Thätigkeit hat. –

Wenn nichts besonderes vor kommt, so wird dies wohl der letzte Brief sein, den wir Dir nach Villafranca schreiben; denn ich möchte nicht gerne, daß noch einer nach Deiner Abreise ankäme. Schreibe uns auch ob wir Dich in Apolda || abholen sollen, das kannst Du allerdings erst auf der Rückreise bestimmen. Nach Deinem Briefe haben wir für uns nun folgenden Entschluß gefaßt? wir denken Donnerstag den 12ten Mai, nach Merseburg zu gehn, und dort einige Tage bei Karos zu bleiben, sie ist sehr krank und hat das Verlangen uns zu sehn; wir wollen von dort Pfingstmontag nach Jena; und ich habe an Bertha geschrieben, daß sie, wenn es nicht anders bestimmt wird, uns einen Wagen dort hin schickt. – So sind wir dann einen Tag früher als Du in Jena, sollte es sich noch ändern, Du etwa früher zurück-||kommen dann schreibe es uns, wir kommen dann auch früher; jeden falls wünsche ich Dich entweder dort zu empfangen oder in Apolda abzuholen. –

Julius Sethe aus Potsdam ist bei Düppel mit bei der Erstürmung der Schanze N. 5 gewesen, und glücklich davon gekommen. Der junge Banatsch ist bei derselben Schanze geblieben. Heute ist Tante Gertrudes Geburtstag, im Ganzen geht es ihr wohl besser als im vorigen Jahr, aber es ist doch immer nicht recht am vorigen Sonnabend hat sie Brustkrampf gehabt; ich habe Sie nicht gesehn, da ich meinen dummen Rücken habe schröpfen lassen, hat Quincke mir Hausarrest gegeben. ||

Den 30ten. Tante Bertha, die heute nach Potsdam ist und gestern hier war, läßt Dich herzlich grüssen wie auch alle Freunde und Bekannte; Frau Weiss hat jetzt Besuch vom Pastor aus Sceuditz und dessen Frau; morgen werden sie zu Mittag bei uns sein. – Heute ist es nun schon 9 Jahr, daß mein Vater starb; wie viel Ernstes haben wir seit dem schon erlebt; Gott gebe uns allen nur Kraft, daß wir einen guten Kampf kämpfen, und immer treu unsere Pflicht erfüllen. –

Ich sehne mich sehr nach Dir, und ich glaube es wird mir sehr wohl thun, wenn ich mit Dir werde leben können. Komm nur recht gesund zurück; wir wollen treulich Dir helfen tragen. –

Deine alte Mutter.

a gestr.: kann; b eingef.: mit; c Text weiter in Brief von Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, 30.04.1864, A 35945: Den 30ten. Tante … Deine alte Mutter.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.04.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 36188
ID
36188