Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, [Berlin], 4. Dezember 1855

Den 4ten December 1855.

Mein lieber Herzens Ernst!

Von einem Tage zum andern hoffte ich auf Nachricht von meinem lieben Jungen, um zu erfahren, ob er wohl wieder ganz gesund ist. Leider höre ich aber nichts und bin nun in großer Sorge. Daher sollen diese Zeilen Dich dringend bitten, mir bald Nachricht zu geben über Dein Befinden, aber ja recht aufrichtig und wahr; hast Du viel zu thun, so brauchen es ja nur ein paar || Worte zu sein. Bist Du aber krank und kannst nicht schreiben, so laß uns durch einen Deiner Freunde oder durch Deine Wirthsleute Nachricht zu kommen. Wenn Du, was Gott verhüten möge, wirklich krank bist, dann komme ich gleich zu Dir. Soweit bin ich schon besser, daß ich die Reise machen kann und meinen Jungen pflegen, wenn er meiner bedarf. Also bald Nachricht!! ||

Seit Sonnabend darf Dein Vater wieder ausgehn, was ihm trotz der grimmigen Kälte gut bekommt, ihm fehlte die Bewegung in der frischen Luft so sehr, daß er ganz ungeduldig wurde und über Schlaflosigkeit und Mangel an Appetit klagte. Seit er wieder ausgeht hat sich das alles gegeben; auch die Wunde bessert sich, wenn es gleich noch nicht ganz gut ist. Jetzt muß ich seit gestern Kampfergeist auf Scharpie drin thun. ||

Meinen letzten Brief hast Du doch erhalten mit dem von Richthofen. Prof. Weiß war Sonntag Nachmittag ein paar Stunden hier, er meinte, er habe Richthofen sehr zugeredet, nach Afrika zu gehn, er fände es für ihn sehr gut, und er könne auch den Anforderungen genügen. Als Richthofen bei uns war, meinte er, es reue ihn jetzt sehr, daß er nicht auch Medicin studirt habe. ||

Wenn Du mein lieber Ernst, Wünsche oder sonst etwas bedarfst, so schreibe es ja bei Zeiten, daß ich es Dir besorge. – Karl denkt den 19ten her zu kommen, und Hermine wird mit den Kindern wohl ein paar Tage früher kommen. Da wird mir wohl mein alter Ernst recht fehlen, nun wir wollen uns zu Ostern freuen, was ja zu meiner Freude in diesem Jahr sehr früh kommt. || Gott gebe uns ein frohes Wiedersehn, worauf ich mich schon sehr freue; und wie schön wird es dann sein, wenn wir zusammen die Lieben in Freienwalde besuchen. Die Stettiner werden zu Weihnachten alle herkommen. Christian und Minchen werden bei Tante Gertrude wohnen. Bertha und Anna bei Tante Bertha, und Heinrich bei seinem Bruder Karl. – Tante Bertha hält sich sehr gut, Gott gebe, daß es den Winter so fortgehe. Auch mit Adolph Schubert geht es ganz gut.; Was mir um so lieber ist, da der Arzt in Hornheim gemeint hatte, er müsse noch den ganzen Winter dort bleiben; wozu A. aber gar keine Lust hatte. Habe ich Dir denn schon geschrieben, daß Luise zu || Weihnachten zieht; ich habe schon eine andere gemiethet. Zur Köchin habe ich Marie aus Ziegenrück, Du findest also lauter neue Leute. –

Nun lebe wohl, mein lieber Herzens Sohn, Gott sei mit Dir. Von Deinem Vater kann ich Dir keinen Gruß schicken, da er spazieren ist. Wenn noch kein Brief abgeschickt ist, so gieb bald Nachricht Deiner alten, bekümmerten

Mutter.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.12.1855
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36143
ID
36143