Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 8. Dezember 1852

Berlin 8/12 52.

Mein lieber Herzens Ernst!

Nachdem ich heute und gestern früh vergebens wie gewöhnlich Deinen lieben Brief erwartet hatte kommt er eben jetzt nach 12 Uhr, und da Häckel schon aus ist, so fange ich doch an ihn zu beantworten. Daß Du auch eine Erkältung hast, thut mir leid, pflege Dich nur recht, wenn der Husten noch da ist, trinke früh im Bette etwas Selterswasser mit Milch. Denke nur wenn Du Dich gesund erhältst, so machst Du Deiner Alten die || größte Freude. Und dann mein Herzens Junge, bekämpfe das Heimweh wacker; wir müssen uns ja auch in die Trennung von unsern lieben Kindern finden, und so sauer es uns auch ankommt, so habe ich doch entschieden das Gefühl, daß es für Dich jetzt gut ist, daß Du lernst a allein im Leben zu stehn, und selbstständig handeln mußt. Daß Deine Kasse bald zu Ende sein würde habe ich || erwarttet, anfangs braucht man zu allem mehr. Was nun Deine oeconomischen Vorschläge anbelangt, so bin ich nicht damit einverstanden, denn wenn Du auch ganz unnöthige Ausgaben meiden sollst, so wünsche ich doch entschieden, daß Du auch die Studentenzeit im guten Sinne geniessen sollst, Du mußt Umgang haben, also ist es mir auch lieber Du gehst mit Deinen Freunden Abends aus, als daß Du allein zu Hause sitzt, auch wünsche ich daß Du den Mittagstisch || auf der Harmonie beibehältst, wo Du mit Bertheau u. la Valette zusammen bist.

Nach Deiner Beschreibung hat mir Deine Stube nie gefallen, und ich wünsche entschieden, daß Du ausziehst. Beim Miethen einer andern Wohnung sieh b darauf, daß sie wohmöglich Sonnenseite hat, nicht feucht ist und keine grüne Farbe hat, kann es sein, so wäre es mir sehr lieb, wenn Du eine Stube mit Kammer fändest. || Du erhältst hierbei 50 Thaler; wirthschafte vernünftig, und schreibe nur immer offen, was Du brauchst. Max Henkelc hatte hier Besuch gemacht; sein Vater ist noch in Merseburg, zieht aber zu Ostern her. – –

Tante Bertha geht es jetzt leidlich gut; Großvater ist jetzt gesund, mir ist es aber als nehmen seine Kräfte ab. || Aus Ziegenrück haben wir seit Vaters Geburtstag keine Nachricht, das sind faule Schreiber. – –

Hier hat auch fast jeder mehr oder weniger an Erkältung zu leiden, Heinrich aus Stettin durfte gestern auch nicht ausgehen, Theodor war auch nicht gut ist aber wieder besser. Beide erkundigen sich immer nach Dir, und || lassen Dich herzlich grüssen. Ich glaube mit Theodor würdest Du gerne zusammensein, er kommt fleissig her und spielt Klavier.

In unserer Häuslichkeit ist auch eine Veränderung eingetreten, seit dem ersten habe ich nur ein Mädchen, Emma habe ich ziehen lassen, zu Neujahr bekomme ich erst die neue. Heute Abend gehe ich mit Vater ins || Koncert in der Singakademie, wo das Auratorium des Paulus aufgeführt wird; ich wollte mein Herzens Junge könnte für mich hingehn. Nun für heute e Lebewohl, Gott behüte Dich. Sei heiter und denke an

Deine

Dich so innig

liebende Mutter.

a gestr.: das; eingef.: im; b gestr.: entsch; c korr. aus: Häckel; d gestr.: besser; eingef.: gut ist; e gestr.: Adie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.12.1852
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36117
ID
36117